Heine im Exil. 379 wohlgemut seine Pension von König Ludwig Philipp, und da er sich von Frankreich bezahlen ließ, so bewarb er sich, ganz folgerichtig, auch um das französische Staatsbürgerrecht. Der ängstliche Guizot erschrak; denn nach den herzbrechenden Klagen des Dichters mußte er annehmen, daß Heine in Deutschland als ein fürchterlicher Hochverräter verfolgt würde. Um den Berliner Hof nicht zu beleidigen, ließ er zunächst durch den Ge— sandten Bresson vorsichtig anfragen: wie Heine zur preußischen Regierung stehe? und was man tun wolle, wenn er französischer Untertan würde? Darauf erfolgte (17. Febr. 1843) die kühle Antwort: unsere Behörden wissen gar nicht, ob Heine noch preußischer Untertan ist; sie haben vor Jahren seine Schriften verboten, aber gegen seine Person niemals irgend eine polizeiliche Maßregel angeordnet; will er sich in Frankreich natura— lisieren lassen, so finden wir nichts dawider einzuwenden, dann hat er gegen uns die Rechte eines Franzosen.“) Das war der Unglückliche, dessen gräßliches Martyrium den deutschen Zeitungsschreibern so viele blutige Tränen erpreßte! Da mithin Guizots einziges Bedenken aufs gründlichste beseitigt war, so läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit an- nehmen, daß Heine nunmehr wirklich ein Franzose wurde, obgleich er dies späterhin ableugnete; das Bürgerrecht des so unsäglich verabscheuten preu- ßischen Staates aufzugeben, konnte ihn doch keine Überwindung kosten, nachdem er längst schon französischen Sold empfing. Als Guizot kaum zwei Jahre darauf (Jan. 1845) sich entschloß, die sämtlichen Mitarbeiter der radikalen deutschen Zeitschrift Vorwärts auszuweisen, da wurde Heine, der auch zu den Mitarbeitern gehörte, ausdrücklich ausgenommen, weil er als naturalisierter Franzose nicht ausgewiesen werden konnte; und wer mag glauben, daß die französische Regierung, nach allem, was geschehen, die Staatsangehörigkeit eines ihr so nahe stehenden Mannes nicht gekannt haben sollte? Auf die Dauer konnte das leere Geplauder des Feuilletons dem Künstlersinne Heines doch nicht genügen; er sammelte sich wieder zu poetischer Arbeit, und manche seiner neuen Gedichte standen den älteren gleich. Selbst in dem Liederstrauße, den er unbefangen neun Pariser Straßendirnen zugleich darbot, dufteten einzelne frische Blüten. So dreist, so lebendig hatte er sein Evangelium von der Verklärung des Fleisches noch nie verkündigt, wie jetzt in den Versen: Vernichtet ist das Zweierlei, Das uns so lang betöret. Die dumme Leiberquälerei Hat endlich aufgehöret. Die Gesinnungstüchtigkeit der neuen politischen Lyrik, die ihn so wider- wärtig an die verhaßten teutonischen Gesänge des Befreiungskrieges er- *) Schreiben des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten an Graf Bresson, Berlin 17. Febr. 1843. Vgl. Beilage 31.