Cornelius' letzte Werke 397 nach natürlicher Kraft, nach lebendigem Können und fühlten sich beleidigt, wenn ihnen die künstlerische Idee formlos entgegentrat. Zu so ungünstiger Zeit betrat Cornelius den feindlichen Boden Berlins. Sein Abgang war für München ein unersetzlicher Verlust. Mochte auch der grollende Wittelsbacher trotzig sagen: „ich, ich der König bin die Kunst in München“ — es ergab sich doch bald, daß fast allein die herrische Persönlichkeit des großen Malers die Künstlergemeinde zusammengehalten hatte. Bald nach ihm verließen mehrere andere nam- hafte Künstler die Isarstadt; Zersplitterung und Mißmut zeigten sich überall; und es währte sehr lange, bis die Münchener Künstler das stolze Gefühl einer großen historischen Bestimmung, das Cornelius ihnen er- weckt hatte, einigermaßen wiederfanden. Aber auch der Meister selbst erlebte schmerzliche Enttäuschungen, bald nachdem er beim Scheiden den Gegnern stolz zugerufen hatte: Ich eile auf dem Hippogryph davon. Melkt nur die Kuh! Ich gönn' euch das Vergnügen. Gleich das erste Werk, mit dem er sich in seinem neuen Wohnsitz einführte, das abscheulich gemalte Olbild: Christus in der Vorhölle be- fremdete die Berliner, die an monumentale Malerei noch nicht gewöhnt waren und sich eben jetzt für die neuen belgischen Koloristen begeisterten. Als sodann jüngere Künstler unter seiner Oberleitung die Schinkelschen Fresken in der Vorhalle des Museums ausmalten, da konnten auch Unbe- fangene die Schwächen dieser in Ideen und theoretischen Programmen schwel- genden Kunstweise nicht mehr ableugnen. Die hochpoetischen Bilder der aus dem Chaos aufsteigenden Weltkräfte, der dem Himmelslichte zustrebenden hellenischen Kultur, wie entstellt erschienen sie hier durch grobe Verzeich- nungen und falsche Farben; wo war hier jener entsagende Künstlerfleiß, den einst der ungestüme Michelangelo betätigt hatte, als er die gewaltige Decke der sixtinischen Kapelle geduldig mit eigenen Händen malte? Wahre Freude konnte das tiefsinnige Werk nur dann erregen, wenn einmal abends bei festlicher Beleuchtung der prächtige Farbenteppich zwischen den hohen Säulen phantastisch herausstrahlte und die Mängel der einzelnen Ge- stalten in dem unsicheren Lichte verschwanden. Unterdessen zeichnete Cor- nelius an den Kartons für den nie vollendeten Campo Santo und be- schämte seine Neider, indem er rastlos wie ein Jüngling an sich selber arbeitend, auch die Formen immer sicherer zu beherrschen lernte. So mächtig hatte sich sein Genius noch nie offenbart wie jetzt in der dämo- nischen, zermalmenden Furchtbarkeit der apokalyptischen Reiter oder in der Mojestät des strafenden Erzengels auf den Trümmern Babels. Die alten Getreuen in Rom und München jauchzten ihm zu, so oft er ein Bruchstück seines großen Werks vor ihnen ausstellte. In Berlin blieben die Meinungen immer geteilt; und allerdings verstieg sich der Miister, als jede Hoffnung auf die malerische Vollendung seiner Entwürfe