470 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. Forderungen der Spinner waren durchaus nicht ganz unberechtigt; wurde der Garnzoll erhöht, so erlitten die Weber zunächst wohl einige Einbuße, auf die Dauer gewannen sie doch selbst, wenn sie ihr Garn von der er— starkten vaterländischen Spinnerei beziehen konnten. Fast ebenso laut erschollen die Klagen aus den Reihen der Eisen— industrie. Die Nachfrage hatte sich seit dem beginnenden Eisenbahnbau ungeheuer gesteigert, und da die deutschen Werke, die noch gar nicht mit Koks zu arbeiten verstanden, ihr unmöglich entsprechen konnten, so verzehn- fachte sich die Einfuhr von Roheisen, Schienen und geschmiedetem Eisen, sie stieg in dem Jahrzehnte 1834—43 von 0,367 auf 3,698 Mill. Ztr. Der Wettbewerb Englands, dessen Eisen- und Kohlenwerke ja allesamt dicht nebeneinander lagen, zeigte seine ganze Macht zu Anfang der vier- ziger Jahre, als die englische Eisenindustrie, durch eine Krisis heimgesucht, ihre Erzeugnisse massenhaft auf das Festland warf; oft kam das englische Eisen als Ballast in Stettin oder Hamburg an und wurde dann wohl- feil auf den Flüssen landeinwärts versendet. Begreiflich also, daß die schlesischen und einige der westfälischen Bergwerke den König dringend um Zollschutz baten.*) Doch auch hier zeigte sich derselbe Gegensatz der Interessen wie in dem Kampfe zwischen Spinnern und Webern. Von ausländischem Roheisen wurden im Jahre 1843 schon 2,675 Mill. Ztr. — im Zollvereine verarbeitet — sechs Jahre vorher nur 0,40 Mill. Ztr. — und die großen Werke an der Ruhr, die an dieser kräftig aufblühenden Gewerbstätigkeit zumeist beteiligt waren, verbaten sich jeden Roheisenzoll ebenso entschieden, wie die zahllosen kleinen Scherenschleifer und Schwert- feger des bergischen Landes. Gegen diese drei schwachen Stellen des Zolltarifs richtete die Schutz- zoll-Partei zunächst ihre Angriffe. Siegte sie hier, so wollte sie weiter gehen; einer ihrer Heißsporne, Moritz Mohl, derselbe, der einst bei der Begründung des Zollvereins seinen wütenden Haß gegen Preußen ge- zeigt hatte **), schrieb in diesen Jahren ein gelehrtes Buch über Frankreichs Gewerbszustände, zur Verherrlichung des strengen Prohibitivsystems. Die Stimmung im Süden war tief erregt; selbst Nebenius, der allezeit be- hutsame, verlangte in einer Flugschrift über die Eisenzölle ganz unmäßige Zollsätze. Als die Zollkonferenz im Sommer 1842 zu Stuttgart zu- sammentrat, forderten Württemberg und Baden sogleich mehrere Zoller- höhungen, ein einstimmiger Beschluß ließ sich jedoch nicht erreichen. Der bisherige Tarif blieb also bestehen, man trennte sich im Unmut, die alte schöne Eintracht des Handelsbundes schien ganz zerstört. Nunmehr brach der Zorn in Süddeutschland so heftig aus, daß die Berliner Finanzpartei selbst für den Bestand des Zollvereins zu fürchten begann und darum *) König Friedrich Wilhelm an Thile, 20. Febr. 1812. **) S. o. IV. 365.