490 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. seiner Kolonien an Deutschland abtreten könne, um den Gefahren unserer Übervölkerung abzuhelfen, da erwiderte Peel: das ließe sich schwer aus- führen; warum wolle Deutschland nicht lieber Puerto Rico erwerben? Diese Insel war freilich viel zu klein, ihr tropisches Klima auch für starke europäische Ansiedlungen ganz ungeeignet; sie besaß jedoch den großen Vorzug, daß sie der Krone Spanien gehörte, die englische Großmut konnte sie mithin ohne schmerzliche Unkosten den Deutschen anbieten. Aus diesem Gewoge nebelhafter Entwürfe tauchte doch einmal ein Plan auf, der nicht völlig aussichtslos schien. Kalifornien, das wüste Land an der Südsee, dessen Goldschätze damals noch niemand ahnte, war zur Zeit fast herrenlos, die bankrotte Republik Mexiko schien nicht abgeneigt, das wertlose Besitztum für mäßigen Preis zu veräußern. Was konnte den ideenreichen Köpfen Rönnes und Bunsens willkommener sein? Beide hoff- ten dies kalifornische Land für Preußen zu erwerben und in der Bai von San Francisco einen großen Freihafen zu gründen. Aberdeen zeigte sich wieder sehr großmütig; er stimmte fröhlich zu und fragte, ob Preußen nicht gleich weiter nördlich ausgreifen und das Gebiet von Oregon dazu er- werben wolle. Allerdings mußte Bunsen wissen, daß die Vereinigten Staaten, nach der Monroe-Doktrin, eine europäische Kolonie auf ihrem Kontinente nicht dulden würden; er erfuhr sogar aus dem eigenen Munde des amerikanischen Staatssekretärs Mac Lane, daß die Unions-Regierung ernstlich beabsichtigte, die Wirren in Mittelamerika zu benutzen, um ihr eigenes Gebiet bis zur Meerenge von Panama auszudehnen. Trotzdem war die Erwerbung Kaliforniens nicht ganz undenkbar, wenn Preußen sich ins- geheim mit Mexiko verständigte und — seine Kolonie durch eine Seemacht beschützte! Auch dafür wußte Bunsen Rat; wann wäre er je um einen Ein- fall verlegen gewesen? Dänemark, der Todfeind der alten Hansa, der Un- terdrücker des Deutschtums in Schleswig, war doch Mitglied des Deutschen Bundes und konnte die Kosten seiner Flotte nur schwer erschwingen. Wes- halb sollte also der Dänenkönig nicht Großadmiral der neuen Hansa, des Zollvereins werden und als solcher die preußische Kolonie Kalifornien mit seinem Danebrog verteidigen? Dann genügten ein oder zwei preußische Bataillone, um das Land im Innern zu sichern. Diese Vorschläge ent- wickelte der preußische Gesandte seinem Amtsgenossen, dem Grafen Revent- low, einem eifrigen Dänen, der insgeheim den englischen Hof für die Ver- nichtung der Selbständigkeit Schleswigholsteins zu gewinnen suchte, doch mit Bunsen nahe befreundet war und auch jetzt die zärtlichen Worte nicht sparte. Das Auswärtige Amt aber konnte nicht umhin, die Berichte des erfindungsreichen Diplomaten am Rande mit einigen großen Fragezeichen zu schmücken, und Bunsen fühlte sich tief bekümmert, als seine Ideen von dem natürlichen Tode aller Seifenblasen ereilt wurden.“) *) Bunsens Berichte, 25. Aug. 1842, 30. Juli 1844, 5. März 1845, 18. Aug. 1846.