Deutsche Einwanderer in Texas. 493 Königin Victoria führte den Vorsitz. Das Vorbild des mildtätigen Friedrich Wilhelm hatte überall im hohen Adel philanthropischen Eifer er— weckt; man schwärmte für die Rettung der Notleidenden und suchte, vor— erst noch ohne Erfolg, die Hilfe des frommen Königs zu gewinnen.“) Leider ward das wohlgemeinte Unternehmen mit der ganzen Leichtfertigkeit ge- schäftsunkundiger vornehmer Herren eingeleitet; das Kapital von 80 000 Dollars genügte nicht von ferne; auch die politische Berechnung erwies sich als falsch, da Texas schon 1845 in die Union eintrat. Prinz Karl von Solms-Braunfels, ein phantastischer, gutmütig prahlerischer junger Mann zog selbst hinüber, er gründete die Stadt Neu-Braunfels und eine Ortschaft Sophienburg, nach dem Namen einer deutschen Fürstin, die er glühend verehrte; doch lange hielt er nicht bei der Stange aus. Von den 5000 Auswanderern, die der Fürstenverein in den Jahren 1845 und 1846 nach Texas führte, gingen mehr denn zwei Drittel elend zu Grunde; die 1500, welche endlich, unter der kräftigen Führung des Generalkommis- särs v. Meusebach, sich selber zu helfen lernten, wurden zu deutsch-eng- lischen Amerikanern, wie alle die anderen deutschen Einwanderer in der Union. Der klägliche Untergang dieses im Jahre 1847 aufgelösten Für- stenvereins war ein Unglück auch für die deutsche Politik; denn die Radi- kalen, die im stillen überall mit wachsendem Erfolge arbeiteten, bemäch- tigten sich schadenfroh der traurigen Vorfälle, und noch in den Volksver- sammlungen des Revolutionsjahres sprachen die Demagogen gern von den Tausenden wackerer Plebejer, die an der Fieberküste von Texas als Opfer fürstlichen Leichtsinns gefallen waren. Es stand nicht anders: so- lange Deutschland keine Reichsgewalt besaß, gingen alle seine Auswanderer dem Staate, die meisten auch dem Volkstum der Heimat verloren. — Gewaltig veränderte sich mittlerweile das volkswirtschaftliche Leben durch den fortschreitenden Eisenbahnbau. Die Notwendigkeit der neuen Erfindung zeigte sich schon jetzt so deutlich, daß der Widerspruch mehr und mehr verstummte. Unter den namhaften Politikern Europas blieben nur noch zwei unversöhnliche Widersacher: der Restaurator der Staats- wissenschaft K. L. v. Haller und der Deutschrusse Cancrin, der doch nicht hindern konnte, daß schon bei seinen Lebzeiten einige Bahnbauten in dem Zarenreiche begonnen wurden. Im preußischen Heere fanden die skeptischen Ansichten des Generals Aster nur noch wenig Anklang. H. v. Moltke, der jetzt heimgekehrt als Major im Generalstabe stand, trat sogar in den Ver- waltungsrat der Berlin-Hamburger Eisenbahn und beantwortete in einem lichtvollen Artikel der Deutschen Vierteljahrsschrift die Frage: „welche Rücksichten kommen bei der Wahl der Richtung von Eisenbahnen in Be- *) König Friedrich Wilhelm an Thile, 5. Dez. 1843.