Anfänge des preußischen Staatsbahnwesens. 497 Unterdessen mußte die preußische Regierung erfahren, daß sie mit der behutsamen Politik der Unterstützungen und Zinsgarantien nicht zum Ziele gelangte. Die neue französische Ostbahn begann eine große Linie bis zur preußischen Grenze bei Forbach; von der andern Seite her baute die pfälzische Ludwigsbahngesellschaft eine Bahn durch die Berge des West— richs bis gegen Neunkirchen hin. Kamen diese Bauten zum Abschluß, dann war eine Schienenverbindung zwischen Frankreich und Deutschland — die einzige unmittelbare, die damals möglich schien — fast vollständig hergestellt. Nur ein kleiner Streifen preußischen Gebietes trennte noch die beiden Endpunkte, und in ihm lagen die großen, zumeist dem Staate ge- hörigen Kohlengruben des Saarbrückener Beckens. Da war kein Zaudern möglich; die Krone entschloß sich (1847) zum Bau der ersten preußischen Staatsbahn, der kurzen, für die Volkswirtschaft hochwichtigen Saar- brückener Bahn. Diese kleine Strecke konnte zur Not noch ohne Anleihe, durch die reichen Überschüsse der Staatseinnahmen gebaut werden; doch mittlerweile trat eine neue, ungleich schwerere Aufgabe an den Staat heran. In dem geplanten Eisenbahnnetze fehlte noch ein wichtiges Glied, die große Ost- bahn nach Königsberg; und der König hielt es mit Recht für eine Ehren- pflicht, sein geliebtes, durch die Ungunst der geographischen Lage so schwer bedrängtes Altpreußen baldigst mit der Hauptstadt und dem großen mittel- europäischen Verkehre zu verbinden. Über die Richtung der Bahn wurde lange gestritten. Rönne, der immer seine absonderlichen Gedanken hegte, empfahl „wegen des Seeverkehrs“ die Linie von Stettin durch Hinter- pommern; er kannte unseren Osten wenig, er wußte nicht, daß Hinter- pommern wesentlich ein Binnenland ist, weil die Ostsee minder tief als andere Meere in das Leben ihrer Uferländer einwirkt. Der König schien anfangs den Vorschlägen dieses vertrauten Ratgebers geneigt. Seine Minister aber hatten von den Erfahrungen der jüngsten Jahre gelernt und sahen ein, daß die Eisenbahnen wo möglich dem Zuge der alten ver- kehrsreichen Handelswege folgen mußten; sie rieten daher, die Ostbahn über Landsberg die Warthe entlang nach Bromberg und alsdann ab- wärts am Weichseltale hin zu führen. Diese Meinung siegte, weil auch die ostpreußischen Landstände den König beschworen, seiner alten stolzen Weichselstädte nicht zu vergessen.*) Da versagte sich das Privatkapital. Die Eisenbahngesellschaft, der das große Bankhaus J. Mendelssohn und mehrere der angesehensten Männer Ostpreußens angehörten, erklärte plötz- lich: bei dem Geldmangel, der seit dem neuen Aktiengesetze die Börsen heimsuche, vermöchte sie die 32 oder 40 Mill. Tlr. für das gewaltige *) Rönnes Denkschrift über die Ostbahn, 14. Jan. 1845. Berichte an den König, von Rother 9. Dez. 1844, von Flottwell 16 Jan. 1845. König Friedrich Wilhelm an Flottwell 18. März, 17. Okt. 1845. Eingabe des preußischen Provinziallandtages an den König, 1. Febr. 1845. Protokoll des Staatsministers, 13. Nov. 1845. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 32