514 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. trage des Kantons Zürich schrieb dann der konservativ-liberale Bluntschli einen verständigen Bericht über die Kommunisten in der Schweiz. Die Veröffentlichung dieser Denkschrift bewirkte freilich, daß die Bestrebungen der Anarchisten erst jetzt in weiten Kreisen bekannt wurden und in den nächsten Monaten an dreihundert deutsche Handwerker der Pariser Kom— munistengesellschaft beitraten; einer ihrer Führer, Moses Heß dankte dem Züricher Juristen sogar in einer höhnischen Adresse, weil er der guten Sache so viele neue Anhänger gewonnen hätte.) Mittlerweile war in der Schweiz nochmals ein „Junges Deutschland“ zusammengetreten, und zum dritten Male erlangte dieser Name eine flüch- tige Bedeutung. Der neue Arbeiterbund hatte aber mit den Genossen Mazzinis kaum mehr gemein als mit der gleichnamigen deutschen Literaten- schule; er verschmähte alle nationalen Ideen und ging grundsätzlich darauf aus, den Massen den Glauben an das Bestehende, zumal den religiösen Glauben zu rauben. Von den älteren Verschwörern trat nur der Poet Harro Harring bei; der ging jetzt, gleich allen Genossen, in der Arbeiter- bluse einher und sang: Stürzet den Mammon, dann werden versinken Bald auch die Throne mitsamt ihrer Pracht! Die neuen Führer waren durchweg unbedeutende Menschen: ein philosophischer Schüler Ruges Döleke, ein Schlosser Standau, ein lang- bärtiger feierlich blickender Prophet Kuhlmann, ein windiger Hamburger Kaufmannsdiener W. Marr, der nachher, ausgewiesen, seine schweizerischen Heldentaten in einem umfänglichen Buche selbst verherrlichte. Gleich- wohl fanden die Demagogen starken Anhang. Der genossenschaftliche Sinn, der so tief im deutschen Wesen wurzelt und weder in den verfallenden alten Zünften noch in den neuen Fabriken Befriedigung fand, konnte sich in den kommunistischen Vereinen betätigen. Auf ihren Rede= und Leseabenden zeigten die Arbeiter viel achtungswerten Bildungsdrang, aber wie schändlich ward er mißleitet durch die Apostel eines den Staat und jede gesellschaftliche Ordnung leugnenden „Anarchismus“. So nannte Marr selber seine Doktrin. Ihre atheistischen Grundsätze schöpften die Genossen aus „Feuerbachs Religion der Zukunft“, einem Buche, das durch seine schöne Sprache und durch den idealistischen Schwung eines nicht unedlen Gemüts gerade die Halbgebildeten bezaubern mußte. Die Häuptlinge der schweizerischen Anarchisten empfingen geheime Weisungen aus Paris durch den Dr. Ewerbeck.*) Dort an der Seine be- stand ein ganzes Nest von kommunistischen Geheimbünden, die sich zumeist von der alten Gesellschaft der Menschenrechte abgezweigt hatten. Längst *) Graf Arnims Bericht, Paris 26. Sept. 1843. *) Schreiben des Pariser Polizeipräfekten Delessart an den preußischen Gesandten Graf Arnim, 16. Mai 1845.