564 V. 7. Polen und Schleswigholstein. Monaten sollte Preußen abermals erfahren, wie die Polen der deutschen Großmut dankten. — Über die polnischen Händel hatte sich Deutschlands öffentliche Mei- nung noch kein sicheres Urteil gebildet; nationaler Stolz und fremdbrüder- licher Schwachsinn hielten einander noch die Wage. Als aber jetzt auch unsere Nordmark durch die Gewaltstreiche des Auslandes bedroht wurde, da regte sich das jugendliche Selbstgefühl der Nation in schönem Ein- mut. Im Dezember 1839, kurz vor dem König von Preußen, war der greise Friedrich VI. von Dänemark gestorben, und hier wie dort begann mit dem Thronwechsel eine neue Zeit. Der Verstorbene war der erste rein dänisch gesinnte König des Inselreichs gewesen, aber ein ruheseliger Herr, dem die Parteien den Frieden seiner alten Tage nicht gern stören mochten. Unter seinem Nachfolger Christian VIII. brausten die mühsam verhaltenen nationalen Wünsche sofort kräftig auf. Auch König Christian, der Zögling Hoegh-Guldbergs, fühlte sich ganz als Däne, obgleich er den Wert deutscher Bildung wohl zu schätzen wußte. Ein schöner Welt= und Lebemann, Freund des Prunkes, der Tafel, des witzigen Gesprächs, bezauberte er alles durch seine einschmeichelnde Lie- benswürdigkeit, wenn ihn nicht einmal das hitzige Blut übermannte. Als langjähriger Präsident der Akademie hatte er sich große Verdienste um die Pflege der Künste erworben, die Naturforscher schätzten seine mine- ralogischen Schriften über den Vesuv; mit vielen Gelehrten wechselte er Briefe, Freiherr v. Rumohr, der Gastronom und Kunstkenner, behagte ihm am besten. Manche Züge dieses beweglichen, vielseitig empfänglichen Geistes erinnerten an Friedrich Wilhelm IV., der ihm auch persönlich teuer und durch den gemeinsamen Freund Rumohr nahe verbunden war. In den ersten Tagen der Hoffnung sagte Humboldt froh, zwei solche Könige seien würdig, sich gegenseitig zu schätzen. Aber an die umfassende Bil- dung und die Gedankenfülle Friedrich Wilhelms reichte der geistreiche Däne doch nicht heran; Dilettant in allem, besaß er auch die Herzensgüte des Deutschen nicht, und während dieser nur zuweilen durch die phan- tastische Uberschwenglichkeit seiner Reden den Eindruck der Schauspielerei erweckte, suchte König Christian wirklich durch berechnete Bühnenkünste zu blenden und zu berücken. Wenn er alljährlich in rotsamtener Phan- tasie-Uniform, bedeckt mit glitzernden Ordenssternen, zur Eröffnung der Sitzungen des obersten Gerichtshofes fuhr, dann erschien er ganz wie ein Theaterkönig. Die wohlfeilsten Effekte verschmähte er nicht: zu dem Stu- denten Rudolf Schleiden, der in Nyborg wegen eines harmlosen, unpo- litischen Duells auf der Festung saß, trat er plötzlich ins Zimmer, wie der Gott aus der Maschine, um feierlich die Begnadigung zu verkünden.