Das Kommissionsbedenken. Der offene Brief. 575 Empfange, den ihm die Schleswigholsteiner überall bereiteten, zur Genüge lernen können, wie wenig dies treue Volk gemeint war, sich von seinem angestammten Herzog leichtfertig loszusagen. Da brachte Allgreen Ussings Antrag alles in Bewegung. Der Itzehoer Landtag war gerade versammelt. Graf Friedrich Reventlow, der Klosterpropst von Preetz, übernahm die Führung, ein hochgebildeter Aristokrat von der guten alten Holstenart, konservativ nach Erziehung und Neigung, aber unbefangen genug, um die Berechtigung des anwachsenden liberalen Bürgertums zu würdigen, eine stattliche Erscheinung, stolz und mild zugleich, ganz und gar ein Mann des Rechts. Auf seinen Vorschlag beschloß der Landtag eine Rechtsverwahrung, welche die drei Hauptsätze des schleswigholsteinischen Staatsrechts feierlich aussprach: die Selbständigkeit, die Unteilbarkeit der Herzogtümer und das Erbfolgerecht des Mannesstammes. Entrüstet wiesen die Stände die terroristische Anmaßung des seeländischen Landtags zurück, der selber ganz unbefugt über die Thronfolge der Herzogtümer Beschlüsse faßte, den Deutschen aber verbieten wollte, auch nur mitzusprechen; sie erinnerten warnend an Spanien, wo die leichtfertige Anderung der Erbfolgeordnung den Bürgerkrieg hervorgerufen hatte. Da der schleswigsche Landtag nicht versammelt war, so trat die Ritterschaft beider Herzogtümer unter der Führung des Grafen Reventlow-Preetz zusammen und bat den Monarchen in einer würdig gehaltenen Adresse um Wahrung des Landesrechts. Alles vergeblich. Zweimal versuchte der König in diesen Jahren, seinen Schwa- ger zu freiwilliger Entsagung zu bewegen. Der Herzog aber erwiderte, ein Verzicht könne nur der weiblichen Linie zugemutet werden; weiter ging er nicht, denn den Boden des urkundlichen Rechts wollte er nicht verlassen, auch fühlte er wohl, daß er eine Hoffnung auf die Königskrone mindestens nicht offen aussprechen durfte, weil die Dänen ihn allesamt tödlich haßten. Ermutigt durch den Antrag des Rotschilder Landtags glaubte Chri- stian nunmehr etwas wagen zu können und berief eine Kommission zur Erörterung der schleswigholsteinischen Erbfolgefrage. Drei Deutsche ge- hörten ihr an: der hochkonservative Bundesgesandte Pechlin, aus dem Aus- wärtigen Amte der Minister Graf Heinrich Reventlow-Criminil und sein Rat Dankwart, dazu als Vierter der vertraute Kabinettssekretär Adler. Keiner von ihnen war Fachmann im Staatsrechte. Nach langen Beratungen brachten die Vier ein „Kommissionsbedenken“ zu stande, das keinen bündigen Schluß enthielt. Sie meinten zwar, der weiblichen Linie gebühre das Erbfolgerecht in einem Teile der Herzogtümer, wider- rieten jedoch eine öffentliche Erklärung, solange nicht mit den Agnaten und den Großmächten verhandelt sei. Der König aber wollte vorwärts, in einer feurigen Rede sprach er dem Staatsrate diese Willensmeinung aus. Am 8. Juli 1846 verkündigte er sodann, um „unklaren und un- richtigen Vorstellungen entgegenzutreten“, durch einen Offenen Brief, daß