Verwerfung der Ostbahn-Anleihe. 627 eine schöne Denkmünze vorlegen lassen: da stand, umgeben von den vier Ständen, der Genius Preußens, mit der Gesetztafel des Patentes hoch in der Hand, und der Dämon der Empörung floh hinweg. Und jetzt lohnte ihm seine Lieblingsprovinz eine große königliche Wohltat mit schnöder Ver— neinung und verführte auch die anderen Provinzen zur Unbotmäßigkeit! Den Ehrennamen der „Preußen“ wollte er diesen Undankbaren in Schrift und Rede kaum noch gönnen. In höchstem Zorne schrieb er sofort (8. Juni) an Thile: „Es ist gut, daß den „Preußen die Strafe ihres wahnsinnigen Votierens gewaltiglich vors Angesicht gestellt werde. Es ist mein Wille, daß augenblicklich alle Arbeitenander Weichselbrücke und Eisen- bahn eingestellt werden. Mich macht das Verwerfen der Anleihe nicht kalt und nicht warm. Es soll aber die Preußen“ kalt und warm machen.“ Auch General Boyen war über das Verhalten seiner Landsleute entsetzt und stimmte mit dem Monarchen dahin überein: besser „eine Tat des Ernstes, welche den Ständen andere Taten des Ernstes und der Strenge ahnden läßt als eine Antwort ohne Tat auf eine Pe- tition viele Tage nach demgegebenen Skandal.“ Als einige der anderen Minister dem Monarchen vorstellten, Vertrauen erwecke Vertrauen, Gereiztheit erwecke Gereiztheit, da erwiderte er heftig: „Keiner der an- geführten Gründe faßt. Ernstes Handeln (nicht Reden) war nach meiner tiefsten überzeugung hier geboten. Es mußte dem erkrankenden Landtag und den in Ungesetzlichkeit ersoffenen „Preußen in specie ein Eimer kaltes Wasser über den Kopf gegossen werden. Trotz ihres Soffs wissen sie meisterlich das à propos zu treffen. Man muß mit derselben Waffe des à propos und zwar in der Realität der Staatsmacht sie bekämpfen.“) Der König beharrte bei seinem Willen. Lentze und seine Leute waren gerade in ihrem Maschinenhause feierlich versammelt, um zuzuschauen, wie das erste Eisenstück mit dem eingeformten Bergmannsgruße Glückauf! gegossen wurde; in diesem Augenblicke kam der königliche Befehl, alle Arbeiten sofort einzustellen. Welch ein Eindruck! Drei Jahre lang blieb der Brückenbau unterbrochen, nur die Deicharbeiten wurden fortgeführt. Die Provinz, die ja vor kurzem erst so dringend um den Bau der Ost- bahn gebeten, empfand den Schlag sehr schwer, und es zeigte sich un- zweideutig, daß die 18 Abgeordneten, welche für die Anleihe gestimmt hatten, mindestens unter den schlichten Leuten des flachen Landes mehr Anhänger besaßen als die 65 Verneinenden. Wer konnte auch die über- feinen Rechtsbedenken begreifen, die das Ordensland um eine solche Wohl- tat gebracht hatten? Volkstümlich, gemeinverständlich war die Haltung der Landtagsmehrheit nicht. Friedrich Wilhelm hatte jetzt alles Vertrauen zu seinen Ständen verloren, er mochte ihre Verhandlungen gar nicht mehr *) König Friedrich Wilhelm an Thile, 8. 10. Juni; Randbemerkung zu Thiles Denkschrift vom 10. Juni 1847. 407