XXXIV. Der Prinz von Preußen und die Verfassungspläne. 769 nachher bei Hofe erscheinen solle. So ging alles glatt ab. Diese ganz unbefangene, lange vor den Aufzeichnungen des Prinzen niedergeschriebene Erzählung eines treuen An- hängers der Augustenburger beweist doch wohl, daß der Prinz sich schon auf jener Kopen- hagener Reise mit ehrgeizigen Plänen trug. Als er dann die Statthalterwürde erlangt hatte, verstand er freilich nicht, sie zu gebrauchen. — XXXIV. Der Prinz von Preußen und die Verfassungspläne. Zu Bd. V. S. 606 ff. Der Prinz von Preußen trat zur Zeit der Königsberger Huldigung allen Ver- fassungsplänen, welche dem Testamentsentwurfe seines königlichen Vaters widersprachen, nachdrücklich entgegen. Er verlangte sodann, als der König die Vereinigten Ausschüsse bildete, daß diese Institution sogleich völlig ausgestaltet und mit ihr das ständische Re- formwerk abgeschlossen werde. Er erhob endlich, im Januar 1845, lebhaften Einspruch, als der Plan des Vereinigten Landtags sich enthüllte, und wurde deshalb von seinem königlichen Bruder sehr hart angelassen. Die natürliche Folge von alledem war, daß der Prinz in die neue Immediat- kommission, welche im Sommer und Herbst 1845 über die Entwürfe des Monarchen beriet, nicht berufen wurde. Als diese Verhandlungen geschlossen waren, fühlte er sich aber verpflichtet, nunmehr seine Ansicht über die künftige Gestaltung des ständischen Wesens ausführlicher darzustellen. Am 20. November 1845 schrieb er dem Könige: „Du wirst es natürlich finden, daß ich in Erfahrung gebracht habe, wie du in diesem Sommer eine Kommission ernannt hast, welche deine ständischen Pläne ausarbeiten mußte.“ Dann erinnerte er an seinen Brief vom Januar und fuhr fort: „Mehr als ich darin gesagt, erlaubt mir mein Gewissen nicht nachzugeben. Ich glaube es in meiner Stellung ver- langen zu können, daß mein Plan geprüft werde. Er gibt kein Recht der Krone aus den Händen; er bezeichnet jeder Korporation ihre Rechte, und vermeidet, die Finanzfrage, die gefährlichste von allen, in regelmäßiger Wiederkehr zu agitieren. Zugleich gewährt er, unter Beibehaltung des jetzigen ständischen Fundaments, die Provinzialstände, gewährt in den Ausschüssen die verheißene Generalberatung des Gesetzes von 1823 und löset die Schwierigkeit des Gesetzes der Staatsschulden von 1820. Brüderlichst lege ich diese große Angelegenheit dir ans Herz, das tief ergriffen davon ist, daß es sich deinen Plänen nicht anschließen kann.“ Die beigelegte Denkschrift zeigt schon jene glückliche Mischung von Festigkeit und Beweglichkeit, welcher der Prinz dereinst als König so große Erfolge verdanken sollte. Ohne die leitenden politischen Grundsätze seines Lebens je aufzugeben, stellte er sich doch immer rasch auf den Boden der veränderten Verhältnisse. Er hatte einst gehofft, die letztwillige Verfügung feines Vaters über die Reichsstände würde ausreichen. Als dann die Vereinigten Ausschüsse geschaffen wurden, nahm er das Geschehene alsbald an und riet, diese neue Versammlung zu einem ständischen Reichstage auszugestalten. Jetzt ver- kündigte der König seine Absicht, neben den Vereinigten Ausschüssen und den Provinzial- landtagen noch eine Zentralvertretung zu schaffen. Der Prinz erkannte, sein königlicher Bruder werde sich von diesem verwickelten Plane nicht mehr abbringen lassen; er ging daher auf den Grundgedanken der neuen Entwürfe sofort ein, obgleich er ihn schwerlich ganz billigen mochte, und faßte nur die praktische Frage ins Auge: wie das eine, was ihm das Wesen des preußischen Staates war, die lebendige Macht der Krone neben dieser ungefügen dreifachen Gliederung ständischer Körperschaften noch bestehen solle? Die Denkschrift begann: „Preußens politische und geographische Lage als Großmacht im europäischen Staatenbunde und zugleich als Teil des deutschen Bundes erlaubt nicht, v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 49