770 XXXIV. Der Prinz von Preußen und die Verfassungspläne. daß dessen Monarch durch konstitutionelle Institutionen in seinem freien Bewegen be- hindert werde. Aber auch alle Institutionen, die den konstitutionellen sich nähern oder in diese überzugehen drohen, sind daher für Preußen nicht annehmbar.“ Um dieser Gefahr vorzubeugen und zugleich die Verheißungen der Jahre 1820—23 zu erfüllen, hält der Prinz für nötig, daß die gesetzgeberische Tätigkeit der Stände und die Beratung der Finanzfragen streng voneinander getrennt und verschiedenen ständischen Körperschaften zugewiesen werden. Der Allgemeine Landtag soll mithin ausschließlich über den Staats- haushalt, die Vereinigten Ausschüsse ebenso ausschließlich über die Entwürfe neuer Gesetze beraten. Werden also „die Attributionen scharf auseinander gehalten“, dann kann die Beratung der Steuervorlagen nicht zum Erzwingen neuer Gesetze mißbraucht werden oder umgekehrt. Demnach sollen bestehen: eine reichsständische Versammlung, aus etwa 150 Abgeordneten der Provinzialstände gebildet, mit der Befugnis, über neue Steuern und Anleihen zu beraten; ferner die bisherigen Vereinigten Ausschüsse mit dem Rechte der Gesetzesberatung, das weiterer Ausdehnung fähig ist und doch unschädlich bleibt, „da die gefährliche Geldfrage ihnen entzogen ist“; endlich als Fundament der ständischen Verfassung die Provinziallandtage. Dann erörtert die Denkschrift noch, wie es in Kriegszeiten mit den Anleihen zu halten sei. Diese Frage erschien bekanntlich den Räten des Königs sehr schwierig. Der Prinz fand sie ganz einfach, weil er seine Preußen kannte. Er meinte: bei einem be- vorstehenden Kriege kann man allerdings, des notwendigen Geheimnisses wegen, die Reichsstände nicht um eine Anleihe angehen; für diesen Fall genügen der Staatsschatz und Revirements mit den großen Geldinstituten des Staates. „Wird aber im Laufe des Krieges eine Anleihe notwendig, so hat es nicht das geringste Bedenken, die Reichsstände zu berufen.“ In Friedenszeiten dürfen Anleihen nur im äußersten Notfalle abgeschlossen werden, so daß jeder die Notwendigkeit einsieht und die Schande auf den Verneinenden fällt. Kostspielige, große Unternehmungen, wie die Eisenbahnen, überlasse man den Pri- vaten. Unverbrüchlich hält die Denkschrift daran fest, daß der verstorbene König jederzeit nur beratende Stände in Aussicht gestellt hatte. Sie schließt mit den Worten: „Alle Beratungen aller drei ständischen Versammlungen sind durchaus konsultativ, von einem Bewilligungsrecht irgendeiner Art darf nie die Rede sein.“ Dem Wunsche des Bruders willfahrend ließ der König diese Denkschrift durch die Immediatkommission begutachten (Dezbr. 1845). Ihre Mitglieder, voran Thile, Sa- vigny, Uhden, Canitz, sprachen sich gegen den Thronfolger aus: denn die Vereinigung aller Provinziallandtage sei bereits durch Se. Majestät beschlossen, und ein beschränktes Steuerbewilligungsrecht lasse sich den Ständen nicht versagen, wenn sie die Bürgschaft für Anleihen übernehmen sollten. Im Frühjahr 1846 wurde der Prinz endlich von Amts wegen zur Mitwirkung be- rusen. Der König verordnete, daß die Immediatkommission mit sämtlichen Staats- ministern zu gemeinsamen Sitzungen zusammentreten solle, um die Entwürfe endlich abzuschließen. Als Vorsitzender des Staatsministeriums hatte der Prinz diese Verhand- lungen zu leiten. Sogleich zum Beginn, am 11. März, stellte er die Frage, ob eine ständische Zentralversammlung notwendig sei, und gestand aufrichtig, er selber habe sich von diesem Bedürfnis noch nicht ganz überzeugt. Nachdem sodann alle Anwesenden aus- führlich ihre Meinung begründet hatten, sprach er am Schlusse dieser entscheidenden Sitzung ebenso offen aus: nunmehr werde er die Frage bejahen. Hierauf ward mit allen gegen zwei Stimmen beschlossen, daß eine reichsständische Versammlung berufen werden solle. Die späteren Verhandlungen zogen sich sehr in die Länge. Der Prinz blieb fast mit allen seinen Anträgen in der Minderheit; die übrigen Mitglieder hielten jetzt jeden Wider- spruch für aussichtslos, obgleich die meisten im stillen schwere Bedenken hegten. Am 17. Dezember 1846 war die Beratung nahezu abgeschlossen, und der Prinz zeigte an, daß er seinem königlichen Bruder ein Sondergutachten einreichen werde. Noch am selben Tage beendete er eine neue Denkschrift für den König. Er hob