Die Wahl ins Parlaments-Präsidium Weimar, 7. Februar Zwischen „Lachen“ und „Heiterkeit“ ist im Sprachgebrauch der Parlamente ein gewaltiger Unterschied. Wir erleben heute beides im neuen Hause. Das Lachen ist etwas ge- zwungenes, ist die Opposition der Verlegenheit. Es soll höhnende Ablehnung bedeuten. So wird auf der äußersten Linken bei der Verlesung einer Depesche gelacht, in der ein Kapitän Bender-Neubabelsberg die Absetzung aller Arbeiter- und Soldatenräte und die Wahl Hindenburgs zum Reichs- präsidenten empfiehlt. Die Heiterkeit dagegen, die be- freiende, zwerchfellerschütternde, ist eine einfache Refler- bewegung gegenüber unfreiwilliger Komik. Sie wirft heute jedeen Widerstand vor sich nieder und erfaßt unterschiedslos sämtliche Parteien, als eine zweite Depesche, von einem Herrn Eugen Müller-Stockholm, zum Reichspräsidenten den „von Freund und Feind gleich hochgeachteten weitblickenden Walther Rathenau“ vorschlägt. Dann faßt man sich wieder mühsam. Besonders auf den Regierungsbänken im Bühnen- raum werden den Gesichtern erneut die Falten des ehrbaren Ernstes angezwängt. Man schämt sich. Man ist so gewöhnlich gewesen. Sowa,s schickt sich doch nicht. Emporkömmlinge sind ein dankbares Objekt für Witzblätter. Erstürbe einem in dieser Elendezeit nicht jedes Scherzwort auf der Zunge, so läge es nahe, die politischen Kriegsgewinnler von heute, die regierenden Sozialdemokraten, in ihrem ängst- lichen Ringen um den guten Ton und das vornehme Gehaben abzumalen. In der Nationalversammlung sitzen nicht weniger als 19 sozialdemokratische Exzellenzen. Oiese funkelnagel- neuen Minister, Staatssekretäre, Gesandten, die nun im Geb- 18