der öffentlichen Meinung zu spielen. Schon vor vierhundert Jahren wußte ein Or. Martin Luther, wie man Herrn „Omnes“ zu behandeln habe; mit seinen Flugblättern stürzte er Rom. schuf er ein deutsches Volk. Aber die stärkste Macht Europas, das kaiserliche Deutschland von 1914, vermochte die Wirkung des bedruckten Papiers nicht recht einzuschätzen und erlag den Northcliffe, Joffe und Rosa Luxemburg. Oie neuen Machthaber des Reiches versichern sich nun sofort der Mit- wirkung der Weltmacht Presse. Schon am Lendemain seiner Wahl versammelt Ebert die in Weimar anwesenden Presse- vertreter im Theaterfoper um sich, stellt sich ihnen, da er in jungen JLahren nach Alufgabe seines Sattlerhandwerks, in dem er es zu nichte brachte, Reporter einer sozialdemokra- tischen Provinzzeitung war, als Kollege vor, der alles für sie tun wolle, was er könne, und bittet um Entgegenkommen auch von ihrer Seite in gemeinsamer Arbeit für das Vater- land. Das geschieht schlicht und natürlich, ohne große Aufmachung, wenn auch der Photograph dabei nicht fehlt, der im neuen Deutschland mindestens so häufig bemüht wird wie ehedem bei Staatsaktionen. Oie unter sozialistischer Führung ge- einte Mehrheit ist mit ihrem Programm fertig, sie hat, wie Ebert sagt, die Demokratie für Deutschland in einem Umfange gesichert, wie kein anderes Land ihn kennt. Der Demokratie werde die Sozialisierung folgen, alles in organischem Wachs- tum. Auf diesem Wege werde man die Mitarbeit einer von jeder Beschränkung entbundenen freien Presse mit ihren Anregungen und Vorschlägen zu schätzen wissen. Diese captatio benevolentiae Eberts macht auf die Versammelten, die doch zum großen Teil letzten Endes sentimentale Deutsche sind, offensichtlich tiefen Eindruck. Man war solche Töne sonst nicht gewöhnt. Man lächelt nicht einmal darüber, daß Serenissi- mus selbst diese wenigen Worte nicht frei spricht, sondern von Friedrich der Vorläufige 33 3