redner herausgestellt, sondern einen Staatsmann. Das ist in dieser Umgebung fast Verschwendung. Die Unabhängigen versuchen es zunächst, ihn durch die Taktik lärmender Zwischen- rufe mundtot zu machen, müssen endlich aber doch wider- willig mit anhören, was der Graf im Bart, dieser alte Ber- künder der sittlichen Verpflichtung des Staates zur Sozial- reform, zu sagen hat. Er sagt manch bittere Wahrheit ohne Ansehen der Person, zum allgemeinen Erstaunen mitunter auch an die Adresse des alten Systems. Aber in seiner un- widerstehlich sachlichen Art, in der überlegenen Ruhe seiner Beweieführung zwingt er die Zuhbörer schließlich doch über alle Konkurslegenden hinweg zu der Wahrheit, daß trotz aller ihrer Versäumnisse die Monarchie unvergleichlich viel herrlicher, größer, gerechter gewesen sei als ihre Rechts- nachfolgerin bei uns, die neue Republik. Die Rechte sei gegen jeden gewaltsamen Umsturz, sei also auch für eine ge- waltsame Gegenrevolution nicht zu haben, bekenne sich aber nach wie vor zum Kaisertum als dem besten Bande unserer Einheit und hoffe auf zunehmende politische Erkenntnis des Volkes. Posadowsky stellt das alte Deutschland, wo die Oberrechnungskammer jeden Pfennig nachprüfte, dem neuen Deutschland der Revolution gegenüber, wo Milliarden un- besehen verwirtschaftet werden, er schildert als alter Finanz- politiker das über uns hereinbrechende Unheil und kritisiert die nationale Ohnmacht der jetzigen Regierung. Still wird es im Hause, ganz still. In diese Stille hinein dringt kurz und klar und scharf die Erklärung des Redners, die Auskünfte Erzbergers hätten nicht befriedigt, und man werde um die Frage nicht herumkommen, „ob unser Unterhändler seiner Aufgabe gewachsen war oder nicht“. Der Staatesekretär ohne Portefeuille und ohne Eignung, Herr Matthias Erzberger, hat gewiß eine gesunde Epidermis. Trotzdem möchte heute wohl niemand in ihr stecken. 42