Gewalt Weimar, 21. Februar Oie Schutzmannskette um die Nationalversammlung herum ist verstärkt worden. Die Attentatsfurcht huscht durch Gassen und Gäßchen. „In tiefer Bewegung“ verkündet Scheidemann vor Eintritt in die Tagesordnung die Gewalttat, die an Kurt Eisner in München begangen worden ist. Bei Eröffnung der Alltagsdebatte erhebt sich Scheidemann wiederum. Die junge, deutsche Republik stehe vor dem Zusammenbruch, wenn sie den Terror nicht besiegen könne, wie er am Niederrhein und anderswo heute berrsche. Das Heiligste, die Meinungs- freiheit, sei überall zuerst in Gefahr, sagt der Leiter unserer Regierung. Dieselbe Regierung aber schlägt gewaltsam die Redefreiheit im Parlamente nieder. Als Heinrich von Gagern im Jahre 1834 in der Harmstädter Kammer von einer Partei der Regierung sprach, fand die Regierung diese Außerung so beleidigend, daß sie den Land- tag deshalb auflöste. So sehr galt es als Schmach, parteilich genannt zu werden. Die alte Rechtlichkeit des deutschen Be- amtentums empörte sich wider die Unterstellung. Auch im Norddeutschen Bunde hat der erste Kanzler, Bismarck, ob- wohl er sich selbst als „alten Herrn“ der Konservativen be- zeichnete, seit 1867 Regierungspolitik und nicht Parteipolitik gemacht. Noch sitzen ja in der Nationalversammlung ehemalige Minister der alten Monarchien wie Delbrück und Posadowsky und Heinze; niemand kann ihnen nachsagen, sie hätten partei- lich ihres Amtes gewaltet. Und heute? Die Leitsätze der Regierung Scheidemann-Schiffer-Erz- 59