Milliarden hin, Milliarden her Weimar, 9. April Als Preußen in den Befreiungskrieg gegen Napoleon ein- trat, hatte es nur ganze zweitausend Taler in der Staats- kasse, die sich erst allmählich mit freiwilligen Opfern füllte; das war jene bescheidene Zeit, in der eine Gräfin Kepserlingk mit einem seidenen, einem wollenen und drei Kattunkleidern als Hofdame jahrelang auskam und dem reichen Stuttgarter Buchhändler Cotta frevelhafter Luxus vorgeworfen wurde, weil er sich ein Kanapee statt des herkömmlichen soliden Groß- vaterstuhls gekauft hatte. In dem seither verflossenen Jahr- hundert ist alles pomphaft und zuletzt gigantisch geworden, und heute, wo der Reichsfinanzminister Schiffer in kaskaden- artigem Wortschwall die Nationalversammlung mit den Zahlen unseres neuen Reichshaushaltes überschüttet, blitzen in jeder Wortperle Milliarden und immer wieder Milliarden. Der Krieg hat uns 146, nein, 153 Milliarden gekostet. Wir müssen 9, nein, 19 Milliarden Steuern aufbringen, ungerechnet das, was noch der Gegner von uns haben will, und unsere Schatz- anweisungen auf einen nicht mehr vorhandenen Schatz sind in den letzten beiden Monaten um fast 5 /8 Milliarden erhöht worden, und unsere winzige augenblickliche Wehrmacht kostet und gegenwärtig 2 Milliarden monatlich, also mehr als früher im Frieden in einem ganzen Zahr. Und — und — „Nachbarin, euer Fläschchen!“ ARicht nur den Stenographen der Nationalversammlung bricht bei Schiffers sprudelnder Rede der Angstschweiß aus, sondern auch den Abgeordneten, über die der kalte Sprüh- regen in so eiligen Windstößen niedergeht. Milliarden, Milliarden, Milliarden! Hie und da hat man eine Zahl, ehe 122