den zu stützen. Auf alle Fälle wird aber im Schlosse heute schon eine Leichenfeier veranstaltet. Scheidemann lädt dazu ein. Die Politiker und die Pressevertreter sollen hinkommen; die meisten werden sich das wohl nicht zweimal sagen lassen, zum mindesten in der Hoffnung, bei einer Flasche Wein alles zu erfahren, was hinter den Kulissen sich zusammenbraut. Daß Schiffer außerordentlich nervös ist, bört und sieht man jedesmal, wenn er auftritt. Ein überragendes Talent, das man schmerzlich vermissen würde, ist er auch nicht, obwohl er seinen demokratischen Parteigenossen dadurch imponiert, daß er mit rasender Zungengeläufigkeit seine freisinnigen Leit- artikel spricht. Der Reichshaushaltsplan jedenfalls, für den er verantwortlich zeichnet, ist die leichtfertigste Arbeit, die wir je erlebt haben. AUbrigens nicht nur Schiffer allein drückt die Knie nach der Heimat durch, auch anderen Demokraten und Zentrumsleuten im Kabinett ist die Lage nicht geheuer. Bielleicht geht sogar den Sozialdemokraten allmählich eine Abhnung von ihrer Unzulänglichkeit auf. Aber die Optimisten erwarten heute abend im Schlosse bestimmt das Wunder- wirken des großen Politikers namens Syndetikon: klebt, leimt, kittet alles. Bei einer Kleinigkeit ist heute im Nationaltheater die Re- gierungsmehrheit schon auseinandergeborsten. Die soge- nannte Sommerzeit, die in Großstädten 7—8 v. H. Kohlen-- ersparnis bedeutet, auf dem Lande aber nahezu eine Unmög- lichkeit ist, da die Milchkühe sich gegen Nachtlieferung erklärt haben, sollte auch heuer wieder eingeführt werden. Oiesen Gesetzentwurf lehnt das Haus mit einer Mehrheit aus sämt- lichen Parteien ab. Eine Stunde früher aufstehen und in der lieben Sonne sich tummeln, ist sehr schön, wenn man ordent- lich frühstücken kann, nur für die Imitation eines Ersatzes von Kaffeezusatz aber verlohnt das nicht. „O mordet nicht den heil'gen Schlaf!" heißt es im Wallenstein. Also die Sommerzeit 128