Ehre gäben wir niemals preis. Wir würden nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt unterschreiben, daß wir nicht die allein Schuldigen am Kriege seien und auch nicht das Ver- langen nach Auslieferung Deutscher an ein Ententegericht erfüllen würden. · Die Volksvertreter sollen dementsprechend einen Beschluß folgenden Wortlauts fassen: „Die Nationalversammlung bil- ligt die Haltung der Regierung in der Frage der Unterzeich- nung des Friedensvertrages.“ Das ist die theatralische Geste. Aber kaum ist sie sichtbar geworden, so erschrecken die Akteure selber davor. Der Be- schlußantrag der Regierung wird ohne Angabe eines Grundes zurückgenommen. In Bersailles wird der Vorbehalt vor- gebracht werden, um das Gesicht zu wahren, aber nicht ale Beschluß der deutschen Bolksvertretung. ODie neue Fassung, die das Haus vielmehr annehmen soll und mit den Stimmen der Unabhängigen, der Sozialdemo- kraten, des Zentrums und eines Teils der Demokraten an- nimmt, lautet: „Die Nationalversammlung ist mit der Unter- zeichnung des Friedensvertrages einverstanden.“ Also bedingungelose Unterwerfung ohne Billigung der Regierungsvorbehalte. Richts mehr von nationaler Ehre! Oer Präsident Fehrenbach und die Regierung werden wegen der Änderung gestellt, dringend um Auskunft ersucht. Fehren- bach hat die Stirn, zu erklären, er finde keinen Unterschied zwischen den beiden Anträgen; auf der Regierungsbank aber erhebt sich niemand, wagt niemand zu leugnen. Oie Schande, die Schande! Sie kommt nicht allen zu Bewußtsein. Ee ist eine Art Apathie über das Haus gekommen, die eiligen Reden klingen wie das gedankenlose Nachstammeln Übermüdeter. Graf Posadowsky bleibt wirkungslos. Was er über den Friedensvertrag im einzelnen sagt, das ist richtig, aber es hat schon vor anderthalb Monaten in jeder deutschen Zeitung 164