Gewiegte schon vorher drucken und an die Presse verteilen lassen, so daß das Kalbfell unmittelbar losbrummen kann. Wie es dagegen mit dem Beten steht, das wissen wir natürlich nicht; das, was Exzberger- bei perlendem Wein am Abend des Schandfriedens in die Weimarer Sommerluft hinaus- sang, das war jedenfalls kein Gebet, sondern eine sehr feucht- fröhliche Sache. Die Steuerentwürfe, die er heute einbringt, nachdem er die Bedeutung seines Amtes und seiner Person in der Einleitung der Rede herausgestrichen hat, stammen nicht von ihm, sondern von seinem Vorgänger Schiffer. Oer kann sie daher auch nicht in Grund und Boden kritisieren, sondern seinem Temperament, das wohltuend von Erzbergers Schmalzigkeit absticht, nur in Nebendingen freien Lauf lassen. Zentrum und Sozialdemokratie müssen erst recht ihren Diener loben; und, o Wunder über Wunder, die Sozialdemokratie, die die indirekten Steuern des „alten Systems“ nie verrucht genug schildern konnte, findet heute durch den Mund des Abgeordneten Keil nichts an dem Plane ganz gewaltiger Tabak- und Zündholz- und Zurckersteuern auszusetzen. Sie findet die direkten Abgaben und die einmaligen Bufßen, die einer Vermögenskonfiskation nahekommen, natürlich erst recht plausibel, nachdem Erzberger ihr gesagt hat: das sei die erfolg- reichste Sozialisierung, wenn man den Kapitalisten das Geld abknöpfe. Da,s ist, alle wissen es, heute eine harte Notwendig- keit, aber der Zentrumeminister nennt es gar eine sittliche Gerechtigkeit; denn der Unterschied zwischen reich und arm — hier zwinkert er den roten Regierungsgenossen zu — sei in Deutschland schon im Frieden zu groß gewesen. Oieser Unterschied war aber, scheint une, nirgends so klein, als gerade in Oeutschland, und wenn wir erst allesamt verarmt sind, werden wir uns nach jenem Unterschied in der Zeit vor der Ara Erzberger-Scheidemann noch zurücksehnen. Nach seiner Gewohnheit, eine unbequeme öffentliche Pole- 199