Die große Anordnung Weimar, 8. August Von Oavids Harfe ist am gestrigen Festabend kein wilder Rachepsalm gegen die Feinde der Sozialdemokratie erklungen. Es gab eine friedliche Stunde staatsbürgerlichen Unterrichts, eine für den Parteimann immerhin maßpvolle Erklärung des Verfassungswerkes. So konnte das Volk von Weimar unbe- schwerten Sinnes Bach und Beethoven lauschen. Fast kommt einem da das Haus heute wieder entweiht vor, wo man aus dem Traumreich in die jämmerliche Gegenwart zurück- geführt wird. Die kleinen Anfragen, die auf der Tagesordnung stehen, werden von Woche zu Woche mehr zu einer Sammlung von Notschreien, von Anklagematerial gegen die seit dem Novem- berumsturz bei uns vorherrschende Unordnung. Da stöhnt einer über den elenden Betrieb im Post- und Fernsprech- wesen, ein anderer über Eisenbahnzüge voll schimmelnden Roggenmehles, ein dritter über die vom Reiche hilflos ver- lassenen Ostmarkflüchtlinge, ein vierter über große Ungerech- tigkeiten bei der Zuteilung von Leim oder Zement oder anderen Dingen; mehrere unter den siebzehn heutigen An- fragen aber befassen sich mit noch etwas viel Kitzligerem, mit der immer noch bestehenden Nebenregierung durch die Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland. Diese maßen sich vielfach nicht nur behördliche Kontrollbefugnis, sondern zeit- weilig sogar diktatorische Rechte im Wirtschaftsleben an, treten alle gesetzlichen Bestimmungen mit Füßen und be- sorgen sich durch Zwangsauflagen die Mittel zu gutem Leben. Es ist ganz lehrreich, daß der demokratische Abgeordnete Schiffer heute durch einen Fraktionsgenossen eine kleine Anfrage verlesen läßt, in der um Auskunft über die von den 276