Der Eid Weimar, 21. August In seiner bekannten Leutseligkeit wünschte der Herr Reichs- präsident Ebert, um einer zahlreicheren Menge seines gelieb- ten Volkes das Fest zu gönnen, daß seine Vereidigung auf die Verfassung in Berlin vorgenommen werde. Die gesamte Regierung war derselben Meinung. Alber die sozialdemo- kratische Fraktion nicht; und auf die sozialdemokratische Fraktion kommt es an. Sie ließ „Eberten"“ sagen, es werde. in Weimar geschworen, fertig. Wie es bei solchen Gelegen- heiten zu geschehen pflegt, überzeugte sich nun auch die Regierung samt dem Herrn Reichspräsidenten sehr schnell, daß der feierliche Schlußakt in der Tat für Weimar das einzig Richtige sei. Der Morgen des denkwürdigen Tages gehört dem patrio- tischen Straßenhandel. Das ist auch früher bei Kaiserparaden und Monarchenbesuchen so gewesen. Aur werden dieemal nicht Fähnchen feilgeboten, sondern Bilder des neuen Landesvaters und seines Wehrministers Noske. Der Verlag Ullstein überschüttet Weimar damit. Zedermann kauft sich die dieswöchentliche „Berliner Zllustrierte Zeitung“, auf deren Titelseite die hochmögenden Herren prangen, schlicht republikanisch in Badehose. Oie festliche Stimmung auf den Straßen wächst zusehends. Dafür hat der demokratische Verlag mit feinem Takte gesorgt. Im Parlament wird noch gearbeitet. Das Betriebsräte- gesetz, über das bei seiner zweiten Lesung noch einiges zu sagen sein wird, macht die erste Lesung durch und gebt an den Ausschuß. Dann wird gestellt, gerückt, geschmückt. Am Nachmittag ist alles zur Feier bereit. 315