Bethmanns Verteidigung 31. Oktober. König Wilhbelm reitet über das Schlachtfeld von Sedan. Unsere Adlerfahnen knattern im Winde. Hinter dem Mon- archen, dessen unendliche Schlichtheit mitten in ungeheurem Geschehen auffällt, blitzen umbuschte Augen unter einem Kürassierhelm empor: Bismarck. Das ist das Bild, das die eine mächtige Wand des großen Ausschußsaales im Reichstage, in den das Untersuchungs- gericht umgezogen ist, ganz ausfüllt, das Riesengemälde von Angelo Jank, das die Reichsboten aus der Offentlichkeit des. Plenarsaals hierher verwiesen haben, weil es „Zu nationali- stisch“ sei. Num wird man durch Bismarcks Augen gebannt. Man meint, ihr blitzender Stahl wWerde im nächsten Moment den Mann durchbohren, der heute hier vor der Welt Zeugnis ablegt über die verfehlte neudeutsche Staatsbunst: Bethmann. Es ist, als wolle der Altbanzler gleich absitzen, herniedersteigen und in die Verhandlung des Antersuchungsausschusses ein- greifen. . Das bleibt nur Traum und Sehnsucht. Weh uns, daß wir Enkel sind. Am Zeugentisch sitzt Bethmann Hollweg, un- verändert und unbelehrt. Er, der amtlich nie über Potsdam und Bromberg hinausgekommen ist, wurde von Bülow, der einen unbeträchtlichen Nachfolger vielleicht nicht ungern sah, für die Leitung unserer Weltgeschäfte vorgeschlagen. So. ward in schwerster Zeit ein Nichtfachmann Kanzler. Er kam mit den Scheuklappen einer vorgefaßten Programmpolitik an, er wollte als Begründer der britisch-deutschen Hergeinig- keit einst ins Konversationslexikon. Da brach der Krieg aus. Für Bethmann war er nur eine störende Unterbrechung seiner — 16 —