Dann geht Bethmann auf sein eigentliches Ziel los, näm- lich nachzuweisen, daß er als Kanzler eigentlich machtlos gewesen sei. Schon die Form des deut- schen Friedensangebots vom Dezember 1916 sei ein Kompro- miß mit der Obersten Heeresleitung gewesen. Schließlich habe er, Bethmann, dem unbeschränkten Tauchbootkrieg nicht mehr widerstehen können, denn nicht nur die „Annexionisten“ — die manches erbitterte Wort des Gestürzten zu hören be- kommen — seien dafür gewesen, sondern auch die Mehr- heit des Reichstages selbst einschließlich des Zen- trums unter Erzberger] ja die überwiegende Mehrheit des ganzen Volkes habe verlangt, daß der Kanzler sich den Forde- rungen der Obersten Heeresleitung beugen müsse. Im Zusammenhang damit spricht Bethmann immer wieder von den „charakteristischen Verhängnissen“ des Welt- krieges. Glück ist eine Eigenschaft, sagt Napoleon. Ich habe immer Pech gehabt, sagt Bethmann. Welch eine Führernatur! Es scheint, als husche ein in- grimmiges Lächeln über die Züge Bismarcks oben an der Saalwand, während Bethmann so sich schutzsuchend unter das Gebot der Masse stellt. „Es muß doch gesagt werden, daß die Mehrheit des Volkes die Führung durch die Oberste Heeresleitung gewollt hat!“ sagt Bethmann mit er- hobener Stimme und zwingt sich, das erste und das letzte Mal, bei diesem Satz dazu, auf den Tisch zu schlagen. Es ist wirklich eine niedeerdrückende Denkmalsenthüllung, der wir hier beiwohnen. Wilhelm Busch hat sie vielleicht voraus- geahnt. In seinen letzten Versen finden wir einen, der sich trefflich als Epitaphium für Bethmann eignet: „Er war nicht unbegabt. Die Geisteskräfte Genügten für die laufenden Geschäfte.“ 18 —