Humboldt, statt ihm zu dienen, wie Humboldt der Mann, und ihn zu heben durch den Adel ihrer freien Menschenbildung. Die Lehre, welche im Staate nur eine Schranke, ein notwendiges Übel sieht, erscheint der deutschen Gegenwart als überwunden. Doch selt— sam, diese Jugendschrift Humboldts wird jetzt von John Stuart Mill in der Schrift On liberty und von Ed. Laboulaye in dem Aufsatze l'Etat et ses limites als eine Fundgrube politischer Weisheit für die Leiden der neuesten Zeit verherrlicht. Mill ist ein treuer Sohn jener echtgermanischen Mittelklassen Eng— lands, welche seit den Tagen Richards II. im Guten wie im Bö- sen, durch ernsten Wahrheitstrieb wie durch finsteren, fanatischen Glaubenseifer, die Innerlichkeit, die geistige Arbeit dieses Landes vorzugsweise vertreten haben. Er ist ein reicher Mann gewor- den, seit er das köstlichste Kleinod unseres Volkes, den deutschen Idealismus, entdeckt und erkannt hat. Von dieser freien Warte herab sagt er der Befangenheit seiner Landsleute und leider auch der deutschen Gegenwart Worte des Tadels, bittere Worte, wie sie nur der gefeierte Nationalökonom ungestraft reden durfte. Aber als ein echter Engländer, als ein Schüler Benthams, prüft er die Ideen Kants an dem Maße des Nützlichen, natürlich des „wohlverstandenen, dauernden“ Nutzens, und zeigt damit selber die tiefe Kluft, welche das geistige Schaffen dieser beiden Völker immer trennen wird. Er schwankt zwischen englischer und deutscher Weltanschauung — in der Schrift über die Freiheit wie in seinem späteren Werke Utilitarianism — und hilft sich endlich, indem er den rein materialistischen Gedanken Benthams einen idealen Sinn unterschiebt, der sie dem deutschen Wesen nahebringt. An der Hand des Anpostels deutscher Humanität gelangt er dazu, das nordamerikanische Staatsleben zu preisen, welches von der schönen Menschlichkeit des deutschhellenischen Klassizismus wenig oder gar nichts aufzuweisen hat. Laboulaye dagegen zählt zu jener kleinen Schule einsichtiger Liberaler, welche in der Zentrali- sation Frankreichs die Schwäche ihres Vaterlandes erkennt und die Keime germanischer Gesittung, die dort unter dem keltisch- 7