legen — das ist die herrische Sünde der idealistischen Kühnheit. Als in der Not des Krieges von 1806 sein Weib, einsam zurück— geblieben in dem vom Feinde besetzten Berlin, voll schwerer Sorge um den fernen Gatten, in Krankheit fällt, da schreibt ihr der ge- waltige Mann: „Ich hoffte, daß du unsere kurze Trennung, ge- rade um der bedeutenden Geschäfte willen, die dir auf das Herz gelegt waren, ertragen würdest. Ich habe diesen Gedanken bei meiner Abreise dir empfohlen und habe ihn in Briefen wieder eingeschärft. Starke Seelen, und du bist keine schwache, macht so etwas stärker — und doch!“ So hart kann er reden zu ihr, die ihm die Liebste ist; denn er glaubt an die Allmacht der Wahr- heit. Ihm ist kein Zweifel, wo die rechte Erkenntnis sei, da könne das rechte Handeln, ja das rechte Schicksal nicht fehlen, und jeden Einwand menschlicher Gebrechlichkeit weist er schroff zurück. Darum keine Spur von Humor, von liebenswürdigem Leichtsinn, nichts von Anmut und Nachgiebigkeit in ihm, der das derbe Wort gesprochen: „eine Liebenswürdigkeitslehre ist vom Teufel“. Nichts von jener Sehnsucht nach der schönheitssatten Welt des Südens, die Deutschlands reiche Geister in jenen Tagen beherrschte. Unfähig, ungeneigt sich liebevoll zu versenken in eine fremde Seele, ver- kündet er kurzab, er lehre alle Dinge nur von einer Seite zu be- trachten, „nämlich von der rechten“. Entfremdet der Natur, die ihm nur besteht, um unterjocht zu werden von dem Geiste, mahnt er zur Hingebung, zur Selbst- vergessenheit eine sinnliche, selbstsüchtige Zeit: auch essen und trinken sollen wir nur um Gottes willen. Nicht die leiseste sinnliche Vor- stellung soll uns den erhabenen Gottesgedanken trüben: „ein Gott, der der Begierde dient, ist ein Abgott. Gott will nicht, Gott kann nicht das Gute, das wir gern möchten, uns geben außer durch unsere Freiheit; Gott ist überhaupt nicht eine Naturgewalt, wie die blinde Einfalt wähnt, sondern ein Gott der Freiheit“. Die Freuden des Himmels, die bequeme Tröstung schwacher Gemüter, müssen schwinden vor einer geistigeren Auffassung: „Die Ewigkeit kommt der neuen Zeit mitten in ihre Gegenwart hinein“; die 146