tragen, bleibt immer ein Ehrenrecht des freien Mannes. Das haben alle edlen Menschen mehr oder minder deutlich empfunden: „der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“. Und dieses Ehrenrecht in Ehren zu halten ist die Aufgabe einer vernünftigen Politik. — Der erste, der in der modernen Zeit die Idee der allgemeinen Volksbewaffnung ausgesprochen hat, ist bekanntlich Macchiavelli ge— wesen. Ich habe aber in seinen Werken doch immer den Ein— druck gehabt: es ist bei ihm mehr eine antike Reminiszenz als eine Idee, die er sofort praktisch verwirklicht wünschte. Seine Bücher dell arte della guerra schildern die Rüstigkeit des alten römi- schen Volkes, sie wollen die Zeitgenossen anfeuern, wieder so tap- fere, feste Männer zu werden wie ihre Vorfahren. Es ist also mehr eine historische Phantasie. Dasselbe wird man sagen müssen von einem ganz unkriegerischen Denker, der im Zeitalter Lud- wigs XIV. diese Idee wieder aussprach: Baruch Spinoza. Wenn es je einen Stubengelehrten gegeben hat, so war er es. Er war nach Erziehung und Bildung gar nicht militärisch angelegt, ein Anhänger der friedlichen Kaufmannspartei der Niederlande. Aber er schwärmt für das Altertum. Auch bei ihm ist also ganz ge- wiß der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht nur eine antike Reminiszenz. Dagegen treten jetzt auch praktische Staatsmänner auf, namentlich Vauban, welche diese Frage ernster erwägen. An diesem Problem mühte sich die ganze Zeit ab, praktisch war man von einer Lösung immer noch weit entfernt. Man half sich, in- dem man die geworbenen Ausländer durch tumultuarische Zwangs- werbungen im Innern ergänzte. Wenn im französischen Heere Lücken sich zeigten, so wurden die Intendanten der Provinzen be- auftragt, sie auszufüllen; hierzu diente der Auswurf der Bevölke- rung aus den Zuchthäusern und von den Landstraßen. Das ge- nügte im ganzen, weil die Zahl der deutschen Reisläufer, welche sich in die französischen Heere drängten, immer so groß war. Unter solchen Elementen mußte die Mannszucht immer härter und grau- 247