aus sich herauszuschauen und als wirklich anzunehmen. Auch in seinen politischen Schriften schien der verwegene Mann alle Schran— ken der historischen Wirklichkeit zu mißachten. Das Ideal des Zeit- alters, den ewigen Frieden, wollte er verwirklichen durch die völ— lige Aufhebung des Welthandels, dergestalt, daß die „geschlossenen Handelsstaaten“ nur noch durch den Austausch wissenschaftlicher Gedanken miteinander verkehrten; und in seinen Reden über die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters rühmte er geradezu als das Vorrecht des sonnenverwandten Geistes, daß er sich von der Scholle löse und als ein Weltbürger sein Vaterland da finde, „wo Licht ist und Recht“. Und doch redete schon aus diesen Vorträgen ein tatenfroher Sinn, der über die Welt der Theorie hinausstrebte. Jeder Satz predigte den strengen Dienst der Pflicht; es gibt nur eine Tugend: sich selbst als Person zu vergessen, und nur ein Laster: an sich selbst zu denken. Der also sprach, wußte selber noch nicht recht, daß er in seinen herben Mahnungen an die schlaffe Zeit die mannhaften Tugenden des alten Preußens ver— herrlichte. Nur als eine kühne Ahnung warf er den Gedanken hin, der mit seinen weltbürgerlichen Träumen in schneidendem Widerspruche stand: am letzten Ende sei doch der Staat der Träger aller Kultur und darum berechtigt, jede Kraft des einzelnen für sich in Anspruch zu nehmen. Also bereitete sich im Schoße der Literatur selber eine neue po— litische Bildung vor. Wer die unheimlichen Widersprüche der deut— schen Zustände nur flüchtig betrachtete — solche Blüte des geistigen und solchen Jammer des politischen Lebens dicht nebeneinander — der mochte sich wohl an jene Zeiten des makedonischen Philippos gemahnt fühlen, da die Thebaner auf dem Grabe griechischer Frei— heit, auf dem Schlachtfelde von Chaironeia das herrliche Löwen— denkmal errichteten und Lykurgos das besiegte Athen mit seinen Prachtbauten schmückte: ganz so unsicher wie einst Hellas zwischen Persien und Makedonien stand das gedankenschwere Deutschland zwischen Osterreich und Frankreich. In Wahrheit lagen die deutschen Dinge keineswegs so hoffnungslos. Der trübselige Spruch, daß 272