Wer will bestreiten, daß Gustav Freytag seine Popularität weit weniger seinem edlen Talente verdankt als seiner liebenswürdigen Heiterkeit, welche auch dem Gedankenlosen erlaubt, vor dem un— verstandenen aber lustigen Gebaren der Gestalten des Dichters ein gewisses Behagen zu empfinden? Sehr undankbar ist in solchen Tagen das Schaffen des pathetischen Dichters. Gelingt ihm sein schweres Werk nicht vollkommen, so vereinigt sich zu seiner Ver— urteilung der Haß der Massen gegen jeden, der ihren dumpfen Schlummer stört, und der gesunde Sinn für Harmonie, dem eine niedrige, doch erfolgreiche Bestrebung erfreulicher scheint als ein groß angelegtes, aber unfertiges Schaffen. Dabei lebt in diesem prosaischen Geschlechte unausrottbar doch die stille Hoffnung, daß das fröhlich aufblühende neue Leben un— seres Staates auch die dramatische Kunst einer großen Zukunft entgegenführen müsse. Freilich nur eine unbestimmte Ahnung. Kein sicheres Volksgefühl zeichnet dem jungen Dramatiker gebie— terisch bestimmte Wege vor; uns fehlt ein nationaler Stil, ein festes Gebiet dramatischer Stoffe, jede Sicherheit der Technik. Un- ermeßlich, zu beliebiger Auswahl breitet sich vor dem Auge des Poeten die Welt der sittlichen, sozialen, politischen Probleme aus; und wenn schon diese schrankenlose Freiheit der Wahl den geist- reichen Kopf leicht zu unstätem Tasten, zum Experimentieren ver- leitet, so wird ihm vollends die Sicherheit des Gefühls beirrt durch die Wohlweisheit der Kritik. Scheint es doch, als verfolgten manche Kunstphilosophen nur das eine Ziel, dem schaffenden Künst- ler sein Tun zu verleiden, ihm den frischen Mut zu brechen. Was hat diese Altklugheit nicht alles bewiesen: für das Epos sind wir zu bewußt, für die Lyrik zu nüchtern, für das Drama zu unruhig; die alte Geschichte ist für unsere Kunst zu kahl, das Mittelalter zu phantastisch, die neue Zeit steht uns zu nahe — und wie die anmaßenden und doch im Grunde gehaltlosen Schlagworte sonst lauten. Zu den Füßen dieser überreifen Asthetik treibt eine vul- gäre Kritik ihr Unwesen, deren erschreckende Roheit täglich deut- licher beweist, daß die besten Köpfe der Epoche sich der Kunst 277