vertraut sind diese Menschen mit aller Heimlichkeit des Naturlebens. Beredt wird ihre Zunge nur, wenn sie sich erzählen von den Ge— heimnissen des Waldes, von den Seherworten, die aus dem Nixen— brunnen ertönen, von den Wundern des nordischen Eislandes, von jenen Runen, darüber ein Held vergeblich sinnen mag bis an seinen Tod. Wo es zu handeln gilt, gehen sie ans Werk wortlos, sicher, unentwegt; dann und wann bricht aus den geschlossenen Lippen ein Ausruf jenes gräßlich wilden Humors hervor, der sich schon in dem alten Liede findet, wenn es von Volker spricht: „das ist ein roter Anstrich, den er am Fidelbogen hat“. Doch während der Dichter so trotzig allen unseren konventionellen Begriffen ins Gesicht schlägt, ist er um so maßvoller und schonender verfahren, wo er unser sittliches Gefühl zu verletzen fürchten muß. Jener König Gunther, der schon in dem alten Liede eine sehr widerwärtige Rolle spielt und bei jedem Versuche eingehender psycho- logischer Zergliederung notwendig ekelhaft erscheinen muß, ist von Hebbel mit sicherem künstlerischen Takte in den Hintergrund ge- schoben worden. Jung und schwach läßt er den grimmen Hagen gewähren, der ihn und seine Brüder ganz beherrscht. Ebenso ist jener nächtliche Ringkampf auf Brunhilds Lager von Hebbel sehr schamhaft behandelt, und wer sich einmal eingelebt in die wunderbare Luft dieses Dramas, wird ohne jeden Anstoß daran vorübergehen. Auch daß Hebbel den ganzen Inhalt des Nibelungenliedes in die dramatische Form umgegossen hat, können wir nur billigen. Denn wenn man so gern auf die attischen Dramatiker verweist, die nur einzelne Katastrophen aus der reichen Fülle der homerischen Gedichte sich auswählten, so will diese gelehrte Vergleichung hier nimmermehr passen. Wie Schuld die Schuld gebiert — dies Fort- wirken des Frevels, welches in der ursprünglichen Form der Sage, in dem Fluche, den Andwari über das Gold gesprochen, sogar noch schöner ausgedrückt war, bildet recht eigentlich den Kern der Tragik des Nibelungenliedes. Darum müssen wir sehen, wie Siegfrieds Mörder und ihr ganzes Geschlecht untergehen; eine Vision, welche dies nur andeutete, kann uns nicht genügen. 200