— 8 — selbst als Hasardspiel bezeichnet, wenn sie den Friedensschritt nicht beschleunigten (Nr. 23 u. 38), so heißt es jetzt: „ Der Krieg ist kein Rechenexempel. Es gibt im Kriege eine Menge Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten. Was schließlich eintrifft, weiß kein Mensch. Als wir im August 1914 nach Ostpreußen kamen und mit Hilfe meines treuen Mitarbeiters Hoffmann die Befehle zur Schlacht von Tannenberg ausgegeben wurden, da wußte man auch nicht, wie es gehen würde, ob Rennenkampf marschieren würde oder nicht. Er ist nicht marschiert und die Schlacht wurde gewonnen. Es gehört zum Krieg Soldatenglück, vielleicht bekommt Deutschland doch auch wieder einmal Soldatenglück.= - Auf die zusammenfassende Frage, ob die Westfront bei Uberführung der Kräfte aus dem Osten — deren Möglichkeit noch zweifelhaft ist — nach drei Monaten noch stehen werde, antwortet Ludendorff: „Ich habe schon dem Herrn Reichskanzler gesagt, ich halte einen Durchbruch für möglich, aber nicht für wahrscheinlich. Innerlich wahr- scheinlich halte ich den Durchbruch nicht. Wenn Sie mich auf mein Ge- wissen fragen, kann ich nur antworten: Ich fürchte ihn nicht.= Zu seinen eigenen früheren Erklärungen sagt Ludendorff: „ Es ist auch heute so, daß wir jeden Tag eingedrückt und geschlagen werden können. Vorgestern ist es gut gegangen; es kann auch schlecht gehen.“ Die Möglichkeit einer Auffüllung der Truppen im Westen durch Räumung Weißrußlands und der Ukraine, das Aushalten mit Materialien und mit Produkten, namentlich mit dem nur noch für wenige Monate reichenden Ol wird ausführlich erörtert. Es ergeben sich viele ungünstige Faktoren. Man berechnet, wieviel Mannschaften aus dem Innern bei schärfster Auskämmung freigemacht werden können. Jum Schlusse dieser Berechnungen sagt der Reichskanzler: „Also wir können bis nächstes Frühjahr 600 000 bis 700 000 Mann Ersatz aufstellen, die Feinde 1 100 000 Mann, wenn ich nur die Amerikaner berechne; dazu kommen dann vielleicht die Italiener. Wird sich also zum Frühjahr unsere Lage verschlechtern oder verbessern?- General Ludendorff antwortet: Nach den Qahlen ist es keine Verschlechterung. Aber dazu kommt die Rückwirkung der Räumung auf unsere wirtschaftliche Lage; wenn wir zurückgehen, wird die Lage unserer Kriegsindustrie in höchstem Maße ver- schlechtert. Das konnte man ja immer voraussehen, daß, wenn wir aus dem Kriege mit unseren jetzigen Grenzen herauskommen, wir militär- politisch und industriell viel schlechter stehen als früher. Das wird sich auch jetzt bei einer Räumung zeigen.“ An Ende der Sitzung tritt der Gedankengang des Reichskanzlers klar hervor. Er weist darauf hin, daß auch nach den weitestgehenden — von dem Prinzen selbst anschei- nend nicht geteilten — Hoffnungen Ludendorffs der Krieg nur auf beschränkte Leit fort- geführt werden kann, daß inzwischen mit dem Abfall der beiden noch übrigbleibenden Verbündeten bestimmt zu rechnen ist und daß sich nunmehr die Frage erhebt: Steht man am Schlusse besser oder schlechter als heute? Ludendorff ist der Auffassung, daß es keine schlechteren Bedingungen gibt. ·