— 74 — wir uns hier noch schlagen, wenn wir doch räumen müssen und vor Verdun heißt es, was nützen unsere Opfer, wenn die Franzosen doch Elsaß-Lothringen kriegen. Menschen mit schlechter Stimmung können wir nicht brauchen. Ein Divisionsstab sagte mir neu- lich, sie hätten ihre Leute aus dem Osten wieder weggeschickt, sie seien im Westen nicht mehr zu gebrauchen. Man muß mit dem Geiste der Heimat arbeiten. Der Reichskanzler: Da Seine Exzellenz, der General Ludendorff, die Frage der Stimmung angeschnitten hat, so halte ich es für notwendig, an die drei parlamen- tarischen Staatssekretäre die Bitte zu richten, ihre Ausfassung über die Stimmung in der Heimat mitzuteilen und sich über die Vorschläge zu äußern, die man gemacht hat. Staatssekretär Groeber: Die Stimmung im Lande ist im Sommer dieses Jahres eine recht schlechte gewesen. Ich habe mich davon auf einer Reise nach Süd- deutschland persönlich überzeugt. Das haben gerade Urlauber veranlaßt, die zu Hause allerlei Schauergeschichten erzählt haben. Viel falsche, aber auch manche richtige. Solche Sachen werden, je länger der Krieg dauert, um so schwerer empfunden. In einer großen Armee kommt natürlich manches Gewalttätige in der Behandlung der Leute vor, da kann noch viel gebessert werden. Vor allem die Verpflegung für Mannschaften und Offiziere. Besonders die Offizierskantinen, da kann sich der Offizier mit Nahrungs- und Genußmitteln versehen, wenn der Soldat kommt, heißt es, daß ist nicht für Dich. In gewöhnlichen Jeiten läßt sich das ertragen; aber in solchen Zeiten, wie diese, stellt sich der Gedanke ein: was müssen wir aushalten und wie leben die Offiziere. Läßt sich dieser Gegensatz nicht beseitigen!? General Ludendorff: Ich stehe durchaus auf dem Standpunkt, daß der Offi. zier mit der Truppe die gleiche Lebensweise zu führen hat. Ich bin dem Vorwurf nach- gegangen und habe durch den Generalintendanten festgestellt: es gibt nur eine Kan- tine, sie verkauft gleichmäßig an Offiziere und Mannschaften. Auch im Preis wird kein Unterschied gemacht. Ein Unterschied bestand: die großen Kantinen ergänzen ihre Beständ“ aus den kleinen Kantinen. Die großen liefern an die kleinen zu geringerem Preis, damit die kleinen verdienen. Nun hatten einige höchste Stäbe keine Truppen- kantine, sondern bezogen ihre Bedürfnisse sogleich aus der großen Kantine, und zwar zu dem billigeren Preis. Sobald ich das festgestellt hatte, habe ich es untersagt, und die Stabsbetriebe veranlaßt, aus den großen Kantinen zum gleichen Preise, wie aus den kleinen zu beziehen. Im Schützengraben essen ja Mann und Offizier aus derselben Feldküche. Daß der Stab sich die Sachen besser zubereiten läßt, ist doch zu verstehen, man wird uns nicht zumuten, aus der Feldküche zu essen. Aber, was recht und billig ist, drücken wir durch. Das Schlimme ist, es gehen Gerüchte um, die einem Ehre und Reputation abschneiden können, und man kann nichts dagegen machen. Geben Sie mir Einzelheiten, dann werde ich dahintergreifen, aber seien Sie überzeugt, die Verhältnisse liegen nicht so kraß, wie man behauptet. Im ganzen ist alles in Ordnung. Der Reichskanzler: Ich bitte, nicht in Details zu gehen, dazu fehlt uns die Zeit. Wie beurteilen die Herren Staatssekretäre die Stimmung in Deutschland in Verbindung mit den Maßregeln, die der Herr Kriegsminister vorschlägt? Staatssekretär Scheidemann: Ich glaube gern, daß man noch Hunderttau- sende für das Heer mobil machen kann, aber man täuscht sich, wenn man glaubt, daß diese Hunderttausende die Stimmung im Heer verbessern würden. Das Gegenteil ist