— 104 — Ich habe nicht das Recht, Mich diesem Willen zu widersetzen, da Ich nicht mehr die Hoffnung auf einen guten Ausgang hege, fuͤr welchen die moralischen und technischen Vorbereitungen fehlen, und da unnützes Blutvergießen ein Verbrechen wäre, das zu begehen, Mir Mein Gewissen verbietet. Die Ordnung im Innern und das monarchische Prinzip sind in der ernstesten Gefahr, wenn wir dem Kampf nicht sofort ein Ende bereiten. Selbst die innigsten bundesbrüderlichen und freundschaftlichsten Gefühle müssen vor der Erwägung zurückstehen, daß Ich den Bestand jener Staaten rette, deren Ge- schicke Mir die göttliche Vorsehung anvertraut hat. Deshalb kündige Ich Dir an, daß Ich den unabänderlichen Entschluß gefaßt habe, innerhalb 24 Stunden um einen Separatfrieden und um einen sofortigen Waffenstillstand anzusuchen. 1 Ich kann nicht anders, Mein Gewissen als Herrscher befiehlt Mir also zu handeln. In treuer Freundschaft Karl.= Nr. 84. Telegramm. Berlin, den 27. Oktober 1918. Tit. Grünau. Einer Meldung aus Wien zufolge bestehen dort Lweifel an unserer Bereit- willigkeit zur Fortführung der kürzlich eingeleiteten Friedensaktion. In diesem Sinne gehaltene tendenziöse Nachrichten dürften auch an Kaiser Karl gebracht worden sein und ihn zur Abfassung des Telegramms an Seine Majestät bestimmt haben. Unter diesen Umständen möchte ich die Absendung eines Telegramms an Kaiser Karl empfehlen, das beruhigend auf ihn einwirkt und geeignet ist, ihn von übereilten Schritten abzu- halten. Bitte demgemäß nachstehenden Entwurf Allerhöchsten Orts zum Vorschlag zu bringen: „Teurer Freund! Die Ankündigung Deiner Absicht, unsern Gegnern einen Sonderfrieden anzubieten, hat mich auf das schmerzlichste überrascht. Du würdest durch Ausführung dieses Gedankens den Plan unserer Feinde freie Bahn öffnen, die darauf ausgeht, durch Trennung unserer Reiche unsere Länder leichter ihrem Willen zu unterwerfen und ihre antimonarchischen Jiele zu verwirklichen. Einen baldigen Frieden wünschen unsere Völker und Regierungen. Nach ihm ist Mein Sinnen ebenso gerichtet wie Deins; ihm zu dienen habe ich schwere persönliche Opfer gebracht, denn dem Wohl Meines Volkes ordne ich eigene Interessen willig unter. Die im Einvernehmen mit Deiner Regierung kürzlich eingeleitete Aktion bezweckt die Herbeiführung eines Waffenstillstandes und des demnächstigen Friedens; die Verhand- lungen befinden sich im Fluß und können in wenigen Tagen zu dem Ergebnis führen. Die bisherige Zusammenarbeit unserer Regierungen, deren Aussichten nicht ungünstig erscheinen, würde durch eine Sonderaktion Deiner Regierung im jetzigen Augenblick auf das äußerste gefährdet werden. Schon die Bedingungen für den Waffenstillstand werden sehr viel schwerer werden, wenn unsere Gegner erfahren, daß unser Bund gesprengt ist.