— 122 — und Erziehung wieder auf die Höhe zu bringen. Dazu ist aber erforderlich, daß auch in der Heimat alles getan wird, um die Stellung und das Ansehen des Offiziers wieder zu heben und jeder verhetzenden Propaganda scharf entgegenzutreten. Beim Feinde sind die Verhältnisse fraglos günstiger. Durch die große Zahl der Reserven ist er in der Lage, seinen Divisionen längere Ruhezeit zu gewähren. Seine nach übereinstimmenden Meldungen der Truppe schweren Verluste konnte er bisher noch verhältnismäßig schnell durch Einstellung von Ersatz ausgleichen. Immerhin mehren sich die Anzeichen, daß auch die Stimmung, vor allem bei den Franzosen, schlechter wird, und daß die feindlichen Infanterieangriffe nicht mehr mit alter Kraft geführt werden. Trotzdem hält unsere ermüdete Infanterie der schwächlich angreifenden feindlichen In- fanterie nicht immer Stand, wenn sie durch eine überwältigende Artillerie und zahl- reiche Panzerwagen unterstützt wird. Jusammenfassend ist zu sagen) daß diemilitärische Lage sich weiterverschärft hat. Wenn das Heer noch ungeschlagen ist, so ist dies dem in der Masse des Heeres noch vorherrschenden pflichttreuen und tapferen Geiste zuzu- schreiben, Mehr und mehr tritt im Kampfe hervor die Macht der einzelnen Persönlichkeit) ob Offizier oder Mann. Dort, wo in den Herzen der Feldgrauen noch das heilige Feuer vaterländischer Begeisterung glüht, wird auch die leuchtende Tat geboren, und der An- sturm des Feindes zerschellt an dem freudigen Entschluß unserer braven Leute, das Leben für die Heimat hinzugeben. Wie soll etwa dieses heilige Feuer erhalten bleiben, wenn aus der Heimat durch die Polemik der Presse, durch die zurückkehrenden Urlauber, durch die aus russischer Gefangenschaft Heimgekehrten und Wiedereingestellten eiskalte und die Truppen entnervende Güsse über das Heer ausgeschüttet werden. Was wir von der Heimat fordern, ist nicht Kritik und Polemik, sondern Stärkung und Stählung von Herz und Seele. Wenn nicht schleuniger Wandel geschieht, richtet die Heimat das Heer zugrunde. Das habe ich pflichtmäßig hier zu erklären. Ebenso hat mich der General- feldmarschall beauftragt, in der Frage der Abdankung des Kaisers wörtlich zu erklären, daß er sich für einen Schuft hielte, wenn er den Kaiser verlassen würde, und so, meine Herren, denke ich und alle ehrliebenden Soldaten. Wie sollen die Tausende und aber Tausende von tapferen Offizieren und Soldaten den Entschluß zum Opfertode finden, wenn in ihre Herzen und Gewissen der Zwiespalt hineingetrieben wird. Wovon man in der Heimat keine Ahnung zu haben scheint, das ist die Psychologie des Heeres, das sind die Imponderabilien, auf denen der Gehorsam beruht. Hört die Hetze gegen den Kaiser nicht auf, so ist das Schicksal des Heeres besiegelt, es läuft auseinander. In der nach der Heimat zurückströmenden Soldateska bricht die menschliche Bestie hervor. Des Generalfeldmarschalls und meine Gesamtauffassung ist: Der schlimmste Feind, dessen das Heer sich zu erwehren hat, ist die Entnervung durch die Einflüsse der Heimat, ist der drohende Bolschewismus. Nur nochvon kurzer Dauer kann der Widerstand sein, den das Hcer dem Ansturm der äußeren Feinde bei deren gewaltigen Uberzahl und angesichts der Bedrohung von Österreich-Ungarn her zu leisten vermag. Eine genaue zeitliche Be- fristung des Widerstandes läßt sich nicht geben, da diese einerseits von dem Verhalten der Heimat, andererseits von den Maßnahmen und dem moralischen und materiellen Justand des Heeres abhängt. Die Beurteilung dieses Faktors ist zu leicht Selbsttäuschungen ausgesetzt, weshalb ich mich einer Außerung enthalten muß. Die Rettung des deutschen Reiches vor innerer Hersetzung und Lerfall ist es, wenn das Gefüge des Heeres fest, der