o. Volksdichtung in Sachsen. Begriff und Wesen des Volkslieds. Volksgesang in Sachsen. Err. fahrungen bei dem Sammeln von Volksliedern. Größere Volkslieder. Vierzeiler (Aschumperliedle, Rundäs). Kinderlieder. Peimsprüche. Weihnachtsspiele. Von Hermann Dunger. Das Volkslied ist ein Spiegel der Volksseele. Will man das Volk genau kennen lernen, so darf man die Volksdichtung nicht außer acht lassen. Aus den einfachen Liedern und Sprüchen des Volks tritt uns seine Eigen- art entgegen, sie lassen uns einen Einblick thun in das Herz des Volks, in seine Anschauungs= und Empfindungsweise. Wir belauschen es bei der Tagesarbeit wie bei fröhlichen Festen, im geselligen Verkehr auf der Dorf- straße, im Wirtshause, in den Rockenstuben, in all seiner Fröhlichkeit und Schalkhaftigkeit. Aber wir hören auch tiefergreifende Töne menschlichen Leidens, rührende Klagen des Abschiedes, herzbrechenden Jammer über Treu- losigkeit in der Liebe. Alte Mären epischer Art vernehmen wir in den erzählenden Liedern, eigentümliche Volksgebräuche zeigen uns die Weihnachts- spiele, und selbst das Kleinleben der Kinderwelt tritt uns mit überraschender Vielgestaltigkeit in den volkstümlichen Kinderliedern entgegen. Und nicht nur der Inhalt der Volksdichtung fesselt unsere Teilnahme, sondern auch die Aus- drucksweise, diese schlichte, kernige Sprache des Volks mit ihrer ungekünstelten Natürlichkeit, ihrer Wahrheit und Derbheit, ihrem Reichtum an anschaulichen Bildern aus dem Menschenleben und der Natur. So gehört die Erforschung der Volksdichtung zu den vornehmsten Auf- gaben der Volkskunde, und es ist daher mit Freude zu begrüßen, daß bei der Veranstaltung der Vorträge über Sächsische Volkskunde auch dieses Gebiet mit berücksichtigt worden ist. Der ehrenden Aufforderung, diesen Vortrag zu übernehmen, bin ich gern nachgekommen, obgleich ich freilich einige Be- denken nicht unterdrücken konnte. Ich habe in jüngeren Jahren in meiner engeren Heimat, dem Vogtlande, eifrig Volkslieder gesammelt und dank viel- seitiger Unterstützung eine umfangreiche Sammlung zusammengebracht, ich habe auch später, wo ich Gelegenheit fand, noch manches gesammelt, aber im ganzen liegt doch die Zeit meiner Sammelthätigkeit ziemlich weit zurück; und zweitens fehlt es zu einer Darstellung der Volksdichtung in Sachsen für den größten Teil des Landes an allen Vorarbeiten.