10. Die obersüchsische Hauptmundart. Von Karl Franke. Die im Königreich Sachsen gesprochenen deutschen Mundarten lassen sich nicht unter den Begriff einer einzigen Hauptmundart zusammen- fassen, sondern gehören mehreren an: die vogtländischen Mundarten der ostfränkischen, die Oberlausitzer der schlesisch-lausitzischen. Die erz- gebirgischen kennzeichnen sich als Mischmundarten aus der obersächsischen, ostfränkischen und oberpfälzischen oder auch bayrischen Hauptmundart, ebenso die sebnitzische und huhwäldische als obersächsisch-oberlausitzische Mischmundarten, während sich an der Westgrenze ein etwa eine Meile breiter Gürtel von obersächsisch-thürin gischen Übergangsmundarten hinzieht. Von den genannten abgesehen, weisen dagegen die übrigen Mundarten ein einheitliches Gepräge (Typus) auf, das uns berechtigt, sie unter dem Namen obersächsische Hauptmundart zusammenzufassen. Dieses einheitliche Gepräge reicht aber mehrere Meilen über die jetzige Nordgrenze des König- reichs hinaus und in die Provinz Sachsen hinein, — bis wieweit? — das festzustellen hängt davon ab, ob man nur die Mundarten der obersächsischen Hauptmundart zuweist, die gar keine fremden wesentlichen Bestandteile ent- halten, oder auch noch die, in denen die obersächsischen jene überwiegen. Weist man alle die Mundarten der obersächsischen Hauptmundart zu, in denen die obersächsischen Bestandteile vorherrschen, so gehörten alle Mundarten vom Ostkamme des Erzgebirges bis zur Mündung der schwarzen Elster und bis zur westlich fließenden Mittelelbe zu ihr. Teilt man dagegen ihr nur die Mund- arten zu, die gar keine fremden wesentlichen Bestandteile enthalten, so sind die Dessau-Herzberger Mundarten wegen ihres wesentlich verschiedenen Ton- wechsels (Accents) und ihrer Annäherung an das Niederdeutsche im Lautstand und Satzbau (Syntax) von der obersächsischen Mundartengruppe im en geren Sinne auszuschließen und ebenso wegen ihrer Annäherung an das Ost- fränkische in den Selbstlauten (Vokalismus) die nordosterzgebirgischen, d. h. die Mundarten, welche in der Gegend von Freiberg, Brand, Frauen- stein, Bienenmühle, Altenberg etwa bis oberhalb der Mündung des Chemnitz= baches in die Freiberger Mulde gesprochen werden, wiewohl hier wie dort das obersächsische Gepräge ganz bedeutend vorherrscht. 18“