11. Jitten und Gebrüuche im Kreislauf des Inhres. Von Eugen Mogk. Bei der Schilderung der volkstümlichen Sitten und Gebräuche unseres Sachsenlandes ist es die erste Aufgabe, den Begriff „Volkstümlich“ klarzu- legen. Unter „Volkstümlich“ fassen wir alles das zusammen, was dem Volke eigentümlich ist. Dabei verstehen wir unter Volk nicht die Gesamtheit der unter gemeinsamen Gesetzen vereinten Menge, sondern nur die Schichten der Bevölke- rung, die im Gegensatz zu den Gebildeten einer wissenschaftlichen Erziehung und Ausbildung entbehren und deren ganzes Denken, Fühlen und Wollen nicht in die Zwangsjacke logischer Folgerichtigkeit und reifer Uberlegung eingeengt ist. Hier herrscht nicht geschulter Verstand, sondern angeborner Mutterwitz, natürliches Gefühl und eine heilige Scheu vor dem Uberlieferten. Mit diesen angeerbten Eigenschaften trifft der gemeine Mann in seinen Handlungen nicht selten das Richtige, und wenn ihn auch hier und da der Gebildete mit seinem geschulten Verstande nicht zu begreifen vermag, so spricht doch auch aus der unverstandenen Handlungsweise Herz und Gemüt, die von jeher die Begleiter des deutschen Volkes bei all seinem Thun und Treiben gewesen sind. Wenn ich nun über die Sitten und Bräuche dieses Volkes, so weit sie sich in sächsischen Gauen finden, zu sprechen gedenke, so kann es nicht in meiner Absicht liegen, hier die fast unzähligen Bräuche vorzuführen, die wir an den verschiedenen Tagen des Jahres, in den mannigfachen Lagen des Lebens, bei der Arbeit und bei der Erholung beobachten können: ich müßte nur Dinge bringen, die allen mehr oder weniger bekannt sind, und würde durch die Aufzählung langweilen. Vielmehr werde ich nur eine Reihe wichtiger Erscheinungen unseres Volkslebens herausgreifen und zeigen, wie diese historisch berechtigten Thatsachen und zugleich der Ausdruck der deutschen Volksseele in sächsischen Landen sind. In den Sitten und Bräuchen unseres Volkes spiegelt sich sein ganzes Sinnen und Trachten, seine Dankbarkeit gegen Gott und Mitmenschen, seine Freude, sein Glauben und Hoffen. Diese Sitten und Bräuche sind nicht