16. Haus und Hof. Von O. Gruner. Einleitung. Bu der Zeit, als unsere sächsischen Städte gegründet wurden, war von einer spezifisch sächsischen Baukunst noch keine Rede, kaum die Gebäude für religiöse Zwecke mögen damals bestimmte Stilformen aufgewiesen haben; erhalten blieb uns ja aus jener früheren Zeit nahezu nichts. Als dann später Profanbauwerke zu Wohnzwecken für regierende Herren und wohl- habende Bürger in den Städten ausgeführt wurden, geschah das unter dem Einflusse der herrschenden Stilrichtung, was ungefähr soviel heißt, wie des Modegeschmacks, wenn auch mit lokaler Färbung der Architektur, spiegelt also auch nicht die eigentliche Volksseele wieder; und von den Bauten, die für den alltäglichen Gebrauch, nach den Bedürfnissen und Angaben des Bauherrn entstanden und somit dessen Sinnesart und Lebensgewohnheiten allein erkennen lassen könnten, ist in den Städten überaus wenig erhalten geblieben. Anders verhält es sich mit den Bauausführungen auf dem Lande; wenn hier das Alter der uns erhalten gebliebenen Gebäude im Durchschnitt auch kaum das der Stadt erreicht, so haben wir es doch zumeist mit solchen zu thun, die nicht unter dem Einflusse der wechselnden Mode und des akademischen Geschmacks entstanden sind, sondern bei denen sich ein durch Zeit und Er- fahrung bewährtes Schema innerhalb gewisser lokaler Grenzen ausgebildet, fortgeerbt und bis nahe an unsere Zeit heran erhalten hat; die Vorbedin- gungen, wenn auch nicht zur Stilbildung, so doch zu einer Tradition, sind somit hier gegeben und mit Fug und Recht können wir hier von einer volkstümlichen Bauweise sprechen. Gerade das ist es aber, was solchen Forschungen neben ihrem wissenschaftlichen Werte auch eine nicht zu unter- schätzende Bedeutung für die Kunst verleiht. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß der sächsische Bauernhof auch schon vor dem Einbruch der neuesten Zeit mit ihrer Nivellierung nicht all- zuviel des Eigenartigen aufwies, was ihn vom fränkischen Hofe in anderen deutschen Gauen unterschieden hätte. Das läßt sich nun einmal nicht ändern, denn wenn auch das wendische Element in unserer Lausitz sich im säch- sischen Volksleben durch manche Eigentümlichkeit, durch Sprache, Tracht und Sitte abhebt, so könnte doch nicht daran gedacht werden, die Eigenart eines wenn auch noch so tüchtigen, doch sehr kleinen Bruchteils des sächsischen Volkes (von ca. 3 800 000 etwas mehr als 50 000) als charakteristisch für dessen ganze Masse zu schildern, um so weniger, als die in seiner Bauart besonders auffallenden Eigentümlichkeiten vielleicht weniger auf Unterschiede