über Armenpflege und Heimathsrecht. 11 samen Wohl herzustellen, hat in seiner weiteren Entwickelung ungemessene Ansprüche des Einzelnen an den Staat her- vorgerufen. In der entwickelteren Gesellschaft wird die Erhaltung seiner Existenz und die Befriedigung der durch die Civilisalion gestei- gerten Bedürfnisse durch Anstrengung der eigenen Kräfte einem Jeden allerdings erst möglich, wenn er selbst bereits zu einer höheren Stufe der Bildung emporgehoben ist. Es gehört dazu Ausstattung mit Kenntnissen und Fertigkeiten, Unterstützung durch Werkzeuge und Vorräthe, Vorbereitung durch frühere Thätigkeit, umsichtige Erwägung künftiger Ereignisse u. dgl. Die Erfüllung aller dieser Voraussetzungen wird durch die eingeräumte Freiheit an und für sich und allein keinesweges gewährleistet. Dagegen scheint mit dem Anspruch auf Freiheit zugleich das Recht eines Jeden zu leben und sich seinem Berufe gemäss aus- zubilden, anerkannt zu sein. So entsteht die Vorstellung, dass die Gesellschaft, welche durch ihre Entwickelung es dem Ein- zelnen unleugbar erschwert und selbst unmöglich macht, ohne vorausgehende Unterstülzung eine selbstständige Stellung einzunehmen und zu behaupten, verpflichtet sei jedes ihrer Mit- glieder mit den Hilfsmitteln auszustatten, welche demselben die Erfüllung seines menschlichen Berufes allein möglich machen. Die Ansprüche werden nach und nach alle auf den Staat geworfen, da die niederen Organe des gesellschaftlichen Lebens theils ganz zerstört, theils bis zur Ohnmacht abgeschwächt worden sind, die Vorstellung aber von der Einheit und soli- darischen Verantworllichkeit des ganzen menschlichen Ge- schlechtes, insbesondere der Christenheit fast gänzlich ver- dunkelt oder doch ihrer praclischen Bedeutung beraubt wor- den ist. Jene Ansprüche bedeuten schliesslich soviel, dass das heran- preussischen Staat wird bei der Zahl, dem Gewicht, der Verschiedenartigkeit und Uebereinstimmung der dafür beigebrachten Zeugnisse wohl nur von denen in Abrede gestellt werden können, welche „Auge und Ohr absichtlich gegen offenkundige Thatsachen verschliessen“, wenn auch über die Ausdehnung und Ursachen dieser traurigen Erscheinung Meinungsverschiedenheiten ob- walten mögen.