150 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen was wir die Geschichte der Literatur und Wissenschaft nennen ; und diese alte Bemerkung bestätigt Aristoteles aufs Neue. Will man aber sich aus vorliegenden Thatsachen von der behaup- teten Unzuverlässigkeit, oder Ungenauigkeit, oder Dürfligkeit der Aristotelischen Angaben überzeugen, so vergleiche man, was Aristoteles über Platons Staat (Sokrates) sagt. Wie niedrig ist seine Auffassung der grossarligen Idee Platons! Wie wenig trifft er den wahren Kern des Gedankens, aus dem diese gesell- schaftliche Republik entsprungen! Wie weit sind seine kritischen Bemerkungen davon entfernt, den eigentlichen Hauptpunkt zu treffen, auf dem Platons Ideen die Wahrheit nicht erreichen, oder wenn man will über sie hinwegfliegen! Und sollten wir aus diesen Angaben uns ein Bild vom Platonischen Staate machen, würden wir da wohl je dazu gekommen sein, dieses Bild als den Vater aller socialen Republiken anzusehen ? In der That, wenn das Verhältniss zwischen dem, was Aristoteles über die verloren gegangenen Schriften sagt, und dem, was sie wirklich enthalten haben, dasselbe ist wie zwischen seiner Angabe über Platon und dem Inhalt der Platonischen Arbeit selbst, so haben wir in den Vorgängern des Aristoteles eine reiche und blühende Literatur verloren. Und fast scheint es, als sei dem so ge- wesen. So viel nun von unsrer Quelle im Allgemeinen. Wir wollen jeizt die Trümmer dieser untergegangenen Wissenschaft, so weit möglich, zusammenzustellen versuchen. II. Mit Recht wohl nimmt die Frage nach der Staatsverfassung im Allgemeinen den ersten Platz in dieser Untersuchung ein. Wir stellen daher zusammen, was in dieser Beziehung gefun- den wird. Es ist eine sehr gewöhnliche Meinung, dass wenigstens die Grundgedanken des Platon und Aristoteles über die Staatsver- fassungen und die gesellschaftllichen Ordnungen diesen eigen- thümlich seien. Und zwar in der Weise, dass Platons Grundidee, die Aufhebung aller gesellschafllichen Selbstständigkeit in der allgemeinen, durch die Erziehung begründeten strengen Gesell-