württembergische Agrarverhältnisse. 205 zahl derselben, steht es nicht gut. Da ist die Zahl der Nichts- oder Nichtgenugbesilzenden verhällnissmässig sehr gross und der Grundbesitz noch dazu lief verschuldet. Viele, of die Mehrzahl der Leute, können auch in gewöhnlichen Mitteljahren von ihrer kleinen Erndte nicht leben; sie bedürfen Zuschuss zu ihrem Einkommen von Boden aus Taglöhnereiverdienst, wobei nur das Schlimme ist, dass die Zahl der Bauern, welche Taglöhnern Arbeit. geben können, auch in guten Zeiten so gering ist. Und wenn nun vollends eine auch nur etwas geringere Erndte ein- tritt, dann brauchen noch viel mehr Leute einen besondern Ver- dienst zu ihrem Bodenertrag und derjenigen, welche Taglöhner beschäftigen können, werden begreiflich immer weniger. Nun soll der Staat und die Gemeinde aushelfen und Strassen bauen, oder dergleichen Dinge vornehmen lassen, damit die Leute nur Beschäftigung und nothdürfiig zu leben haben, und es ver- steht sich von selbst, dass man ihut, was man kann. Aber selır oft ist es eben einmal nicht möglich, etwas irgend Ausreichendes zu ihun, und da entsteht dann die bilterste Nolh. Den Winter hindurch bis gegen den Sommer hin geht's gewöhnlich noch leidliich, weil die Leute so lange noch von der eigenen Erndie zehren können. Erst im Sommer beginnt die wahre Noth, wenn die Leute auch die nöthigsten Lebensmillel kaufen müssen, weil das eigene Erzeugniss verzehrt ist. Da leben die Leute meist entsetzlich schlecht. Schon Brod wird da ein Gegenstand, der selbst auf den Tischen der verhältnissmässig Vermöglicheren nur mit äusserster Sparsamkeit genossen werden darf. Rüben, Mehl- brei oder Mehlsuppe ohne Feltzusatz, und abgerahmte Milch sind die Speisen, welche dann vorzugsweise die Nahrung der grossen Masse des Landvolks bilden. Und auch nur dieses Wenige zu ‘gewinnen, reichen rechtliche Mittel bei Vielen nicht aus. Bettelei, namentlich von Kindern in den verschiedensten Formen betrieben, und unter solchen Verhältnissen auch mit der grössten Strenge hicht ausrottbar, dann hauptsächlich Waldfrevel müssen aushelfen, letztere nicht nur zur Gewinnung des eigenen Holzbedarfs, sondern auch zum Verkauf. Strafen fürchtet man nicht; im Gegentheil .sie werden oft genug sogar aufgesucht; denn so lange die Strafe dauert, hat man wenigstens Brod.