Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 229a. 991
4. Die Rechte der Standesherren sind teils persönliche,
teils subjektiv-dingliche Rechte. Jene stehen den Standes-
herren in allen deutschen Staaten zu, diese nur in denjenigen, in
welchen die standesherrschaftlichen Besitzunge® gelegen sind. Zu
den ersteren gehören die unter I—5 aufgeführten Rechte und die
Freiheit von Personalsteuern, zu den letzteren die Landstandschaft
und die Freiheit von Grund- und Gebäudesteuern. Durch Ver-
äAußerung der Standesherrschaft gehen die dinglichen, dagegen
nicht die persönlichen Rechte verloren2°. Übrigens können auch
die dinglichen Rechte von jemand ausgeübt werden, der von dem
reichsständischen Geschlechte abstammt, welchem die betreffenden
Besitzungen zur Reichszeit gehörten ?!,
3. Der Adel!.
& 229.
Die bevorrechtigte Stellung des Adels ist durch die neuere
Gesetzgebung beinahe völlig beseitigt worden. Erhalten haben
bereits nach der früheren Gesetzgebung zugestanden hat (G. vom 11. Febr.
1870 $ 3, G., betr. den standesherrlichen Rechtszustand des Herzogs von
Aremberg, vom 27. Juni 1875 $ 8). Die Freiheit von der Einkommensteuer
ist gegen Entschädigung aufgehoben (Einkommensteuergesetz vom 24, Juni
1891 $ 4, G., betr. die Aufhebung der Befreiung von ordentlichen Personal-
steuern gegen Entschädigung vom 18. Juli 1892), In Bayern sind die
Standesherren nach $ 53 des Ediktes von Personalsteuern befreit, eine Be-
stimmung, über deren Umfang Streit bestand (Poezl, Bayer. Verfassungsrecht
8 77 N. 7, Seydel, Bayer. Staatsrecht (2. Aufl.) 1 221 N. 114; der Streit ist
seither erledigt durch die Aufhebung sämtlicher standesherrlicher Steuer-
befreiungen gegen Entschädigung: Bayr. G. vom 9. Juni 1899), ebenso von
der Häusersteuer für ihre Schloßgebäude. Als Entschädigung ür die Heran-
ziehung zur Grundsteuer hat der Staat ihnen entweder eine besondere Rente
ewährt oder einen Teil ihrer Schulden übernommen. vel G. Rohmer,
ie rechtliche Natur des standesherrlichen Steuervorrechtes. Über Württem-
berg vgl. R. v. Mohl 8 87. Keine Steuerfreiheit der Standesherren besteht in
Baden (Ed. vom 16. April 1819 8 31) und Hessen (G. vom 18. Juli 1858 $ 86).
19 Vgl. oben 388 ft.
20 H. A. Zachariä 1 518; Zöpfl 2 153 ff.; Berchthold a. a. O. 8. 195 N. 54;
v. Sarwey, Württemb. Staatsr. 1 317 Ar: 153 ff.; Hammann a. a. O. 36;
Scholly, Autonomierecht 24 ff. — Golther, Über die staatsrechtlichen Folgen
der Veräußerung einer Standesherrschaft, Zeitschrift für die gesamte Staats-
wissenschaft 17 208 ff,, will als persönliche Rechte nur den hohen Adel
und die Ebenbürtigkeit anerkennen. Nach dieser Ansicht würden im Fall
der Veräußerung einer Standesherrschaft nur diese Rechte bestehen bleiben,
alle anderen verloren gehen. Vgl. dagegen H, A. Zachariä in der Nr. 1
angeführten Denkschrift. Im Gegensatz dazu ist Poezl, Bayerisches Ver-
fassungsrecht $ 78, der Ansicht, daß der Verlust der Standesherrschaft
erade den Verlust der Ebenbürtigkeit, dagegen nicht den der anderen
ersonalrechte zur Folge habe. Seydel, Bayerisches Staatsrecht (2. Aufl.)
1 325, behauptet, daß durch Veräußerung der Standesherrschaft alle standes-
herrlichen Rechte verloren gehen.
»ı H. A, Zachariä 518; Berchthold a. a. O. 195 N. 54; Seydel, Bayer.
Staatsrecht (2. Aufl.) 1 614. — Anderer Ansicht: Zöpfl $ 322 S. 155; Goeriz,
Beitrag zur Lehre vom Landstandschaftsrecht der Standesherren, Zeitschrift
für die gesamte Staatswissenschaft 27 599 ff.; Heyer a. a. O. 119.
1 Vgl. Sächs. Adelsgesetz vom 19. September 1902. Bornhak, Preuß.