Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 230. 098
liche, bei denen eine solche Beschränkung nicht stattfindet. Zu
den nicht öffentlichen gehören auch die Vereinsversammlungen
(Versammlungen der Mitglieder eines bestimmten Vereins).
Während im Mittelalter und namentlich in den beiden letzten
Jahrhunderten desselben der Assoziationstrieb außerordentlich rege
war und dementsprechend eine beinahe völlige Assoziationsfreiheit
bestand, verlor das Vereinswesen seit der Reformationszeit mehr
und mehr seine Bedeutung. Die Gesetzgebung hatte daher wenig
Veranlassung, sich mit demselben zu beschäftigen. Die Reichs-
gesetze beschränkten sich darauf, Verbindungen zu rechtswidrigen
und unerlaubten Zwecken zu verbieten?, Die Juristen gingen aber
weiter, und im Anschluß an das römische Recht behaupteten sie,
daß alle nicht ausdrücklich genehmigten Vereine unzulässig seien ®.
Doch wurde die stillschweigende Duldung in der Regel der aus-
drücklichen Genehmigung gleichgestell. Das preußische All-
gemeine Landrecht ging grundsätzlich von der Freiheit der Ver-
eine und Versammlungen aus, legte aber der Regierung die Be-
fugnis bei, Vereine durch Verwaltungsverfügung zu verbieten;
allgemein verboten waren solche Vereine, deren Zweck der ge-
meinen Ruhe, Sicherheit und Ordnung zuwiderlief, sowie alle
geheimen Gesellschaften*. Später wurde dieses Verbot auf alle
politischen Vereine ausgedehnt ®,
Im neunzehnten Jahrhundert hat in allen Teilen Deutsch-
lands ein großartiger Aufschwung des Vereinslebens stattgefunden.
Soweit die Vereine nur wirtschaftliche, gesellige, künstlerische,
wissenschaftliche, überhaupt unpolitische Zwecke verfolgten, hat
die Gesetzgebung ihnen meist keine besonderen Beschränkungen
auferlegt, sondern sich begnügt, ihre privatrechtliche Stellung zu
regeln. Um so ungünstiger waren dagegen in der ersten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts die politischen Vereine gestellt. In
Preußen behielt das Edikt vom 20. Oktober 1798 (Anm, 5) bis zum
Jahre 1848 gesetzliche Geltung. Ein Beschluß des Deutschen Bundes
vom 5. Juli 1832 verbot alle politischen Vereine. Volksversamm-
lungen und Volksfeste sollten nur mit obrigkeitlicher Bewilligung
stattfinden und bei denselben keine Reden politischen Inhaltes
gehalten werden,
Erst mit dem Jahre 1848 gelangte in Deutschland der Grund-
satz der Vereinsfreiheit zur Geltung. Er wurde sowohl in
den Grundrechten des deutschen Volkes? als in den Verfassungen
und zahlreichen Gesetzen der Einzelstaaten ausgesprochen. Ein
Bundesbeschluß vom 13. Juli 1854® beabsichtigte gleichartige
2 RA von 1555 95 43 u. 44.
3 Vgl, die bei Gierke a. a. O. 1 873 N. 11 zitierten Schriftsteller.
* Preuß. ALR T. II Tit. 6 $$ 3 u. 4, Tit. 20 $$ 184 u. 185.
5 Ed. vom 20. Okt. 1798. von neuem eingeschärft und auf die 1815 er-
worbenen Provinzen ausgedehnt durch V. vom 6. Jan. 1816.
®e G. v. Meyer a. a. O. 2 250 fi.
1 RVerf von 1849 88 161 u. 162.
eG. v. Meyer a. a. 0.2 604 ff.