Bechtsverhältnisse der Untertanen. 8 240. 1019
Die Stellung des Königs als Inhabers der evangelischen
Kirchengewalt bedingte jedoch die Anwendung anderer Formen,
als sie bei der Ausübung der Staatshoheitsrechte gegenüber der
katholischen Kirche üblich sind. Akte des Königs konnten
weder einer Aufsicht noch einer Bestätigung der Staatsbehörden
unterworfen werden. Dagegen war es mit der staatsrechtlichen
Stellung des Königs vollkommen vereinbar, gewisse kirchliche
Handlungen desselben an eine Mitwirkung anderer staatlicher
Organe zu binden. Diese staatlichen Organe sind der Kultus-
minister, das Staatsministerium und der Landtag. Die Kontra-
signatur des Kultusministers ist nach den für die alten
Provinzen und Hohenzollern geltenden Vorschriften bei der Be-
setzung kirchenregimentlicher Amter erforderlich‘. In Schleswig-'
Holstein und den Konsistorialbezirken Wiesbaden und Kassel stehen
in Ermangelung einer vom Staatsorganismus getrennten obersten
Kirchenbehörde dem Kultusminister viel weitergehende Befugnisse,
auch bei der Erledigung rein kirchlicher Angelegenheiten zu®,.
Eine Mitwirkung des Staatsministeriums tritt ein: |], in-
sofern dasselbe, bevor ein Kirchengesetz dem Könige zur Sank-
tion vorgelegt wird, durch eine Erklärung festzustellen hat, ob
gegen das Gesetz von Staats wegen etwas zu erinnern ist®; 2. in-
sofern gewisse auf die Erhebung von Abgaben bezügliche Kirchen-
gesetze nicht ohne seine Zustimmung zur Sanktion vorgelegt
werden dürfen?”. Eine Genehmigung des Landtages wird er-
fordert zu der Aufhebung und Änderung gewisser Bestimmungen
der kirchlichen Verfassungsgesetze®, zu Veränderungen der kolle-
1879). Außerdem ist noch zu erwähnen das sächs. G. zur Publikation des
Kirchengesetzes wegen Errichtung eines evang.-luth. Landeskonsistoriums
vom 16. April 1873, welches in $ 2 den Kultusminister dafür verantwort-
lich macht, daß keinerlei kirchliche Akte in die staatliche Sphäre über-
reifen.
Preuß. G. vom 9, Juni 1876 Art. 23, G. vom 1. März 1897 Art. 6.
[Bei der Besetzung kirchenregimentlicher Ämter, insbes, der Stellen im
berkirchenrat und den Konsistorien handelt der König, richtiger Ansicht
zufolge, nicht als Träger des Kirchenregiments, sondern als Staatsober-
haupt. Dieser Umstand ist wichtig für die Entscheidung der Frage, ob
die betreffenden Beamten Kirchen- oder Staatsbeamte sind. Vgl. die Dar-
stellung, dieser Streitfrage bei Anschütz, Komm, 1 322 ff.
6 Preuß. G. vom 6. April 1878 Art. 29, G. vom 19. März 1886 Art. 15.
° Preuß. G. vom 3. Juni 1876 Art. 13, G. vom 28. Mai 1894 S 2 (An-
schütz, Komm. 1 845), 6. April 1878 Art. 23, G. vom 14. Juli 1895 für
Schleswig-Holstein und Wiesbaden $$ 4, 5, G. vom 6. August 1883 Art. 12,
G. vom 14. Juli 1895 für Hannover © 2, 3, G. vom 19. März 1886 Art. 10,
G. vom 14. Juli 1895 für Kassel $$ 2, 3, G. vom 28. September 1899 für
Frankfurt a, M. Art. 15, Anh. G. Art. $.
T Preuß. G. vom $. Juni 1876 Art- 15 u. 17, G. vom 28. Mai 1894 ss 5 5,
G. vom 6. april 1878 Art. 24, G. vom 6. August 1883 Art. 18, G. vom 19. März
1886 Art. 11, G. vom 28. Sept. 1899 für nkfurt a. M. Art. 16, 17.
8 Preuß. G. vom 25. Mai 1874 Art. 1—4, G. vom $. Juni 1876 Art. 1,
2, 5—8, 10, 14, Nachtr. vom 6. März 1882, G. vom 28. Mai 1894 $ 1, G. vom
21. Sept. 1898, G. vom 6. April 1878 Art. 1—4, 6, 7, 9, 11, 12, 13—16, 18, 21,