Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

II. Ursachen und Ausbruch der Revolution. 1083 
sei ünd forderte von der politischen Leitung die sofortige An- 
bahnung eines Waffenstillstandes. Ob diese Erklärung tatsächlich 
begründet und politisch geboten war, darüber wird die Geschichte 
einst richten; sicher ist, daß sie den Zusammenbruch unseres 
Staates nach außen und — wie sich bald zeigen sollte — auch im 
Innern besiegelt hat. 
Der nach dem Rücktritt des Grafen Hertling (30. Sept. 1918, 
8. oben) zum Reichskanzler ernannte Prinz Max von Baden wurde 
‚sogleich bei seinem Amtsantritt von der Heeresleitung mit der 
Aufgabe belastet, unverzüglich (verlangt wurde: binnen 24 Stunden) 
bei den feindlichen Mächten Waffenstillstand nachzusuchen !%; er 
erfüllte diese Forderung durch eine an den Präsidenten der Ver- 
einigten Staaten gerichtete Note. Das Waffenstillstandsangebot, 
welches von dem Präsidenten Wilson mit wohlberechnetem Zögern 
und zunächst nur ausweichend beantwortet wurde, hatte die 
schlimmsten Wirkungen. Es steigerte die Siegeszuversicht, den 
Übermut der Feinde ins Ungemessene. Unser Heer wollte, eine 
verlorene Sache und den Frieden um jeden Preis vor Augen, 
nicht mehr kämpfen, auch nicht, als einige Tage nach -.dem An- 
‚gebot die Heeresleitung erklärte, daß sie sich in ihrer pessimisti- 
schen Beurteilung der Lage an der Front getäuscht habe. Die 
Führer der revolutionären Aktion sahen ihre Zeit gekommen und 
rüsteten zum Losbruch. Und weite Kreise, welche die Revolution 
nicht wollten, unter ihnen die alte sozialdemokratische Partei (die 
jn der Regierung des Prinzen Max durch mehrere ihrer Mit- 
glieder vertreten war), forderten radikale Verfassungsreformen 
und verlangten — mit veranlaßt durch Kundgebungen des Prä#- 
sidenten Wilson, wonach dieser zum Frieden mit dem deutschen 
Volke, nicht aber mit dem deutschen Kaiser bereit schien — die 
Abdankung des Kaisers sowie des Kronprinzen. Der Ruf nach 
Abdankung blieb vorerst erfolglos, im übrigen suchten die oben 
(S. 1029, 1030) geschilderten Reformgesetze vom 28. Oktober 1918 
einen Teil der erhobenen Forderungen zu erfüllen. 
Wenige Togo nach der Verkündung dieser Gesetze brach der 
Aufruhr los. Zuerst (3. Nov.) in Kiel: nicht unter der Zivil- 
‚bevölkerung, sondern unter dem Militär, der Bemannung der 
Kriegsschiffe. Dort erfolgreich, wanderte die Bewegung, durch 
revolutionäre Matrosen, Soldaten und Arbeiter getragen, nach 
Hamburg und viele andere Städte. In München wurde am 8. No- 
vember die Dynastie für abgesetzt und das Land zur Republik 
erklärt. Zu eigentlichen Kämpfen kam es nirgends. Die Manr- 
schaften des Heeres und der Marine waren sich in dem Willen 
zur Revolution oder doch in der Nachgiebigkeit gegen sie schlecht- 
hin einig; damit hat die einzige Macht, welche stark genug war, die 
bestehenden Gewalten zu schützen ‚ nicht sowohl versagt als sich 
14 Vgl. die eigene Darstellung des Prinzen in den Preuß. Jahrb. 174 
301 ff. (Dezember 1918).
	        
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