IIL Die Anfänge des neuen Staatsrechts. 1035
Dynastien waren vertrieben. Behörden, Beamtentum, Ofhizier-
korps verzichteten auf jeden Widerstand gegen die neuen Ge-
walten. Die Revolution hatte wie in der Hauptstadt so überall
sonst restlos und kampflos gesiegt.
DI. Die Anfänge des neuen Staatsrechts.
Es können hier lediglich Tatsachen — die wichtigsten ver-
fassungspolitischen Ereignisse und Wendungen ans der Zeit vom
November 1918 bis März 1919 — aneinandergereiht werden. Die
staatsrechtliche und politische Würdigung dieser Tatsachen muß
künftiger wissenschaftlicher Arbeit vorbehalten bleiben 8,
1. Am 12. November 1918 erließ der durch die Revolution
an die Spitze des Deutschen Reichs gebrachte „Rat der Volks-
beauftragten“ (s. oben) einen Aufruf an das deutsche Volk !®, der
zugleich die Bedeutung eines Regierungsprogramms hat. Er be-
ginnt mit der Feststellung des sozialrevolutionären Ursprungs und
im Zusammenhang damit, der Grundrichtung der neuen Regierung:
„Die aus der Revolution hervorgegangene Regierung, deren politi-
sche Leitung rein sozialistisch ist, setzt sich die Aufgabe, das
sozialistische Programm zu verwirklichen.“ Am Schluß des Auf-
rufs finden sich mehrere Erklärungen und Verheißungen (ver-
sprochen wird u. a. die Einführung des achtstündigen Arbeits-
tages, Fürsorge für Erwerbslose, Maßregeln gegen die Wohnungs-
not, Sicherung der Volksernährung; radikale Demokratisierung des
Wahlrechts zu allen öffentlichen Körperschaften). Zwischen An-
fang und Schluß erscheinen dispositive Anordnungen, denen aus-
drücklich „Gesetzeskraft“ beige wird, und die teils die Auf-
hebung der mit dem Kriegszustand verbundenen Freiheitsbeschrän-
kungen bezwecken, teils weitergehende befreiende Maßnahmen
(Koalitionsrecht der Beamten und Staatsarbeiter, Amnestie für alle
politischen Straftaten, Aufhebung der Gesindeordnungen) zum
Gegenstand haben.
2. Am 12. November übernahm ein von dem Vollzugsrat
des Berliner Arbeiter- und Soldatenrats (s. oben) gewähltes Kol-
legium von fünf Mitgliedern der beiden sozialistischen Parteien
als „Preußische Regierung“ im Auftrage des Vollzugsrats die
Geschäfte der obersten Staatsleitung in Preußen!” und erließ in
den nächstfolgenden Tagen eine Reihe eingreifender Anordnungen,
von denen die über die Beschlagnahme des Vermögens des könig-
lichen Hauses (13., 30. Nov., GS 189, 198) und über die Auf-
lösung bezw. Beseitigung des Abgeordneten- und Herrenhauses
(15. Nov., GS 191) zu erwähnen sind.
15 Vgl. einstweilen Waldecker, Zur augenblicklichen staatsrechtlichen
Lage, JW 47 745 ff., 48, 130 ff.
16 Verkündigt im RGBl 1303, besprochen von Anschütz, JW 47 751ff.
und Braun, das, 752 ff, |
17T Preuß. G. 8. 187.