Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Ill. Die Anfänge des neuen Staatsrechts. 1037 
5. Diese Beschlüsse „führten zwar nicht den beabsichtigten 
Rücktritt der Reichsregierung herbei, wohl aber deren Kapitula- 
tion“ 2!, In einer mit dem Berliner Vollzugsrat abgeschlossenen, am 
22. November amtlich und durch die Tagespresse veröffentlichten 
„Vereinbarung“ erklärte die Regierung sich mit folgenden Grund- 
sätzen einverstanden: 
1. „Die politische Gewalt liegt in den Händen der A.- und S.- 
Räte der deutschen sozialistischen Republik. Ihre Aufgabe ist es, 
die Errungenschaften der Revolution zu behaupten und auszubauen 
sowie die Gegenrevolution niederzuhalten. 
2. Bis eine Delegiertenversammlung der A.- und S.-Räte einen 
Vollzugsrat der deutschen Republik gewählt hat, übt der Berliner 
Vollzugsrat die Funktionen der A.- und S.-Räte der deutschen 
Republik im Einverständnis mit den A,- und S.-Räten von Groß- 
Berlin aus, 
3. Die Bestellung des Rates der Volksbeauftragten durch den 
A.- und S.-Rat von Groß-Berlin bedeutet die Übertragung der 
Exekutive der Republik. 
4. Die Berufung und Abberufung der Mitglieder des ent- 
scheidenden Kabinetts der Republik und — bis zur endgültigen 
Regelung der staatlichen Verhältnisse — auch Preußens erfol 
durch den zentralen Vollzugsrat, dem auch das Recht der Kontrolle 
zusteht. 
5. Vor der Berufung der Fachminister durch das Kabinett 
ist der Vollzugsrat zu hören.“ 
Die Nationalversammlung ist in dieser Vereinbarung nirgends 
erwähnt. 
6. Die Eigenmächtigkeit, mit der der Berliner A.- und S.-Rat 
sich, wenn auch nur provisorisch, zur obersten revolutionären In- 
stanz für ganz Deutschland aufgeworfen hatte, rief in den preußi- 
schen Provinzen und mehr noch in den andern Einzelstaaten eine 
scharfe Opposition hervor, die sich in Süddeutschland, namentlich 
in Bayern, bis zu offen separatistischen Kundgebungen, ja bis zu 
Verhandlungen mit den feindlichen Mächten steigerte. Um. dieser 
auf den Kampfruf „Los von Berlin“ gestimmten Bewegung zu be- 
gegnen, veranlaßte die Reichsregierung eine Konferenz mit den 
Vertretern der einzelstaatlichen Regierungen. Diese Konferenz 
fand am 25. November in Berlin statt. In Sachen der Frage, ob 
Nationalversammlung oder Rätesystem, einigte man sich dahin, daß 
an dem Plane, eine Nationalversammlung einzuberufen, festzu- 
halten sei, bis zum Zusammentritt der NatVers aber die A.- und 
S.-Räte, ihrem Machtanspruch gemäß, als Träger der Staatsgewalt 
anzuerkennen seien. 
7. Der vorübergehend zurückgedrängte Nationalversammlungs- 
gedanke begann wieder in den Vordergrund zu treten. Am 30. No- 
2ı Waldecker e. a. O. 750.
	        
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