1038 Nachtrag.
vember beschloß und verkündigte der Rat der Volksbeauftragten
(unter Gegenzeichnung des neuernannten Staatssekretärs des Innern
Dr. Preuß) eine Verordnung über die Wahlen zur verfassung-
gebenden deutschen Nationalversammlung („Reichswahlge-
setz“), welcher eine vom Staatssekretär des Innern erlassenen
Ausführungsverordnung („Wahlordnung“) beigegeben war??, Da-
nach werden die Mitglieder der Nationalversammlung in allge-
meinen, unmittelbaren und geheimen Wahlen nach den Grund-
sätzen der Verhältniswahl gewählt; wahlberechtigt sind alle deutschen
Männer (einschließlich aller Personen des Soldatenstandes) und
Frauen, die am Wahltag das 20. Lebensjahr vollendet haben, wähl-
bar alle Wahlberechtigten, die am Wahltag seit mindestens einem
Jahre Deutsche sind.
8. Die in der Vereinbarung vom 22. November (oben 1037)
Nr. 2 vorgesehene allgemeine deutsche Delegiertenversammlung
trat als „Reichskonferenz der A.- und S.-Räte“ am 16. De-
zember in Berlin zusammen und tagte bis zum 19. Dezember. Sie
stand — im Gegensatz zu dem Standpunkt der lokalen Berliner
Organisationen — durchaus unter dem Zeichen des National-
versammlungsgedankens. Sie beschloß am 19. Dezember: 1. „Dem
Rat der Volksbeauftragten wird bis'zum Zusammentritt der National-
Versammlung die vollziehende und gesetzgebende Gewalt über-
tragen; 2. es wird ein Ausschuß der Reichskonferenz als „Zentralrat
der A.- und S.-Räte“ eingesetzt, dem die Ernennung und Entlassung
der Mitglieder der.Reichs- und der preußischen Regierung sowie
die Kontrolle beider Regierungen zusteht; 3. die Wahlen zur
Nationalversammlung sollen am 19. Januar 1919 stattfinden.“ Diese
Beschlüsse wurden mit 400 gegen 50 Stimmen gefaßt. Durch
die Einsetzung des Zentralrates wurde dem Berliner Vollzugsrat
die ihm lediglich gebührende Stellung einer lokalen Instanz an-
gewiesen.
9. Dem Beschluß der Reichskonferenz der Räte entsprechend
bestimmte die Reichsregierung den 19. Januar als Wahltag: V.
v. 19. Dezember 1918 (RGBl 1441). Am 21. Dezember erging
für Preußen eine V. über die Wahlen zur verfassunggebenden
preußischen Landesversammlung (GS 201), deren Bestimmungen
sich eng an das Reichswahlgesestz vom 30. November (s. oben)
anschließen. Auch die in den andern Einzelstaaten erlassenen
Verordnungen für die Wahlen zu den dortigen verfassunggebenden
Landesversammlungen folgen ohne wesentliche Abweichungen dem
Vorbild des Reichswahlgesetzes.
10. Am 19. Januar 1919 wurde die verfassunggebende deutsche
Nationalversammlung gewählt. Ihre 421 Mandate, welche nach
dem Reichswahlgesetz in 37 Wahlkreisen zu besetzen sind, ver-
teilten sich auf die einzelnen politischen Parteien wie folgt: Deutsch-
nationale Volkspartei (aus den ehemaligen konservativen Parteien
»2 RGBI 1345, 1358.