98 Erster Teil. Erstes Buch, 8 32.
als ein die beiden Elemente zu einer Einheit zusammenfassendes
Gemeinwesen zu behandeln. Diese Auffassung gelangte aber
erst dann vollständig zur Geltung, als die Bedeutung der Land-
stände schon im Abnehmen begriffen war. So erschien als Re-
präsentant des Landes wesentlich der Landesherr. Die verschiedenen
in seiner Person vereinigten Befugnisse verwuchsen mehr und mehr
zu einer einheitlichen Herrschergewalth.
Die Landeshoheit blieb der Reichsgewalt untergeordneti,
Diese Unterordnung zeigt sich namentlich darin, daß Landes-
gesetze absolut verbietenden oder gebietenden Reichsgesetzen nicht
widersprechen durften, und daß die Untertanen gegenüber den
Landesherren ein Beschwerde- und Klagerecht bei den Organen des
Reiches, namentlich den Reichsgerichten, besaßen®. Den größeren
Ländern gegenüber hatten die Herrschaftsrechte des Reiches aller-
dings keine praktische Bedeutung, weil dasselbe nicht die Macht
besaß, seine Befehle zur Ausführung zu bringenk. Hinsichtlich
der kleineren Landesherren wurden sie dagegen auch noch im
achtzehnten Jahrhundert vielfach mit Erfolg geltend gemacht. Die
Reichsgewalt ging sogar mit Geldstrafen, Verhaftung und Gefängnis
gegen dieselben vor!.,
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Die deutschen Territorien [das Wort im weiteren, d. h. im
Sinne von reichsunmittelbaren Besitzungen oder Herrschaften, ver-
standen] waren teils solche, deren Inhaber Landeshoheit und
h Vgl. Rehm, Staatsl. 21; Jellinek, Staatsl. 345 und die von diesen
Schriftstellern herangezogenen Stellen aus den Werken Pütters und Gönners.
Über Gönners Auffassung der Landeshoheit (Teutsches Staatear. (1804) 8 227):
J. B. Koch, Nik. Thadd. v. Gönners Staatslchre (Leipzig 1902), 48 ff., 56 ff. —
Die Aufzählung der einzelnen „Majcstätsrechte“, d. h. in der Staatsgewalt
begriffenen Rechte im Preuß. Allgem. Landrecht von 1794, II, 13 $$ 5 ff. er-
innert äußerlich noch an die Auffassung, welche in der Landeshoheit nur
einen Komplex bestimmt abgegrenzter Befugnisse erblickte; sie ist aber
nicht erschöpfend, sondern excemplifikativ gemeint, enthält außerdem in
Gestalt des Hoheitsrechts der Gesetzgebung (a. a. Ö. $ 6) die Kompetenz,
den aufgestellten Katalog der „Majestätsrechte“ zu ergänzen und zu er-
weitern. Dieser Ansicht auch Hubrich im Arch.Verw.R. 16 456. 457.
i Sie war also keine souveränc Gewalt. Der von französischer
Seite unternommene Versuch, die Landeshoheit der deutschen Reichsstände
durch das Westfäl. Friedensinstrument als „Souveränetät“ bezeichnen zu
lassen, blieb ohne Erfolg (Schroeder, D. R. Gesch. 867; Rehm. Allg. Staatsl.
50, 51); im J. P. O. Art. VIII, $ 2 ist die Unterordnung der Landeshoheit
(„ius territoriale“) unter Kaiser und Reich ausdrücklich hervorgehoben.
6 W.C. Art. XIX, 83 6, 7. Vgl. Loeniug im Verw.Arch 2 225 ff.
k Drastische Beispiele hierfür: Loening a. a. O. 229, 230. Im all-
gemeinen vgl. Kormann in Ztschr. f. Politik 7 139 ff.
I Perthes, Deutsches Staatsleben vor der Revolution 153. Vgl. ferner
Otto Mayer, Justiz und Verwaltung (Straßburger Rektoratsrede, 1902) 23 ff.,
sowie v. Weyhe-Eimke, Die rechtmäßigen Ehen des hohen Adels im heil.
röm. Reiche deutscher Nation (1895) 112 ff. (Der Landgraf von Hessen wird
vom Reichshofrat zu einer Strafe von 2000 Mark lötigen Goldes verurteilt
wegen „Landfriedensbruchs“, begangen durch widerrechtliche militärische
Okkupation der Grafschaft Schaumburg.)