Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

124 Erster Teil. Drittes Buch. $ 41. 
wollte man 1815 nicht. Man wollte nicht den Bundesstaat, sondern 
den Staatenbund, keine staatsrechtlich-verfassungsmäßige, sondern 
eine völkerrechtlich-vertragsmäßige Einigung Deutschlands. Und 
was man wollte, hat man erreicht: der Deutsche Bund war „das 
Muster einer vertragsmäßigen Staatenvereinigung“ bh. 
Aus dem Gesamtcharakter des Deutschen Bundes folgte, wie 
bereits hervorgehoben, daß das Bundesverhältnis nur die Staaten 
als solche, nicht ihre Untertanen, berechtigte und verpflichtete. 
Bundesmitglieder, „Angehörige“ des Bundes waren nur die Staaten, 
nicht deren Untertanen. Auch in diesem Sinne war der Bund 
eine Einheit nur der deutschen Fürsten und Freien Städte, nicht 
des deutschen Volkes. 
Der Bund war, seinen Grundbegriffen (oben 121) entsprechend, 
eine organisierte Staatenverbindung: er hatte Organe, deren 
Beschlüsse seinen Willen repräsentierteni. Diese „Beschlüsse“ 
wurden — nach einer durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochenen 
Regelk — mit Stimmenmehrheit gefaßt. Ob aber Einstimmigkeits- 
oder Mehrheitsbeschlüsse, ihrer Entstehung und rechtlichen Natur 
nach sind diese Bundesbeschlüsse allesamt vertragsmäßige 
Willenserklärungen gewesenl. Eben deshalb, wegen des 
ausschließenden Gegensatzes, welcher die Kategorien Gesetz und 
Vertrag trennt, sind die Bundesbeschlüsse keine Gesetze gewesen — 
so wenig, wie die Bundesgrundverträge Gesetze waren —, obwohl 
sie bisweilen, mißbräuchlicherweisem, „Gesetze“ genannt wurden. 
Sie waren vielmehr „Vereinbarungen über die von den einzelnen 
Staaten zu erlassenden Gesetze oder über das völkerrechtliche 
Bundesverbältnis der Einzelstaaten selbst"n. Sie verpflichteten 
— in völkerrechtlicher Weise — die Staaten, und zwar diese nur 
als solche, nicht ihre Behörden und Untertaneno, Nichterfüllung 
der durch sie auferlegten Pflichten zog Bundesexekution nach sich. 
Für die Behörden und Untertanen der Bundesstaaten konnten die 
h So O. Mayer im Arch.Öff.R. 18 358. Im schärfsten Gegensatz zu 
dieser Auffassung stehen diejenigen, welche den Deutschen Bund für ein 
Gemeinwesen staatlichen Charakters erklären: Kloeppel und Affolter (vgl. 
oben $ 13 N. c), in minder scharfem die, welche ihm zwar nicht Staatlich- 
keit, aber Korporationsqualität zuschreiben; vgl. oben N.b und $ 13. N. c. 
i W.S.A. Art. VII: „Die Bundesversammlung stellt den Bund in seiner 
Gesamtheit vor und ist das beständige, verfassungsmäßige Organ seines 
Willens und Handelns.“ 
k B.A. Art. VII. Vgl. unten $ 42 S. 127. 
ıA.M. die Voraufl. (6. A. S. 113) und in der neueren Lit. Triepel, 
Völkerrecht und Landesrecht (1899) 87fl. Dagegen im Sinne des Textes 
Laband, St.R. 1 9 und Kl. A. 2, 3, Schulze, Deutsches St.R. 1 101 und die 
errschende Meinung der Bundeszeit, namentlich der älteren. Vgl. Klüber, 
ff. R. des Deutschen Bundes $ 214; Zachariae, St.R. 2 704; Maurenbrecher, 
St.R. $ 112; Weiß, St.R. $ 36; Jordan, Lehrb. des allgem. u. deutsch. 
Staatsr. $ 186. 
m Auch die Voraufl. folgen diesem fehlerhaften Sprachgebrauch. Da- 
gegen mit Recht Laband an den in voriger N. angegebenen Stellen. 
n Laband a. a. O. 
oW.S.A,. Art. 32, 53
	        
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